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Kultur: Poeten meiden!

Caroline Fetschers kleiner Knigge für die Frankfurter Buchmesse Die Frankfurter Buchmesse hat ihre Tore jetzt auch fürs ganz normale Lesevolk geöffnet. Wenn Sie allerdings zum ersten Mal nach Frankfurt am Main in die Hangare der Verlage pilgern, dann sollten Sie die Regeln kennen, die gar nicht so einfach sind.

Caroline Fetschers kleiner Knigge

für die Frankfurter Buchmesse

Die Frankfurter Buchmesse hat ihre Tore jetzt auch fürs ganz normale Lesevolk geöffnet. Wenn Sie allerdings zum ersten Mal nach Frankfurt am Main in die Hangare der Verlage pilgern, dann sollten Sie die Regeln kennen, die gar nicht so einfach sind. Zunächst einmal: Vergessen Sie den Geist, die Werke, die Reflexion, die Dialektik, die Lyrik, die Kritik, die Utopie – all die immateriellen Sphären, von denen Sie immer noch irrigerweise meinen, womöglich, sie hätten mit Buch und mit Messe zu tun.

Die Betonung liegt auf Messe. Auf Jahrmarkt und Business. Vergessen Sie Benimm – es geht um „Nimm!“ Es geht darum, dass Sie die besten Kontakte knüpfen innert knappster Zeit, Visitenkarten inklusive. Die Buchmesse, machen Sie sich das klar, ist ein Prominentenballungsraum erster Qualität – Güte möchte man nicht unbedingt sagen. Mit Güte haben wir hier nichts zu schaffen. Nun denn: Sie werden Fernsehleute beobachten können und Zeitgenossen, die lebenden Druckmaschinen ähneln, stampfend, unaufhaltsam, geradeaus blickend und output-orientiert. Meiden Sie Folgendes: Den Kontakt zu Autoren (besonders Poeten), Lesungen mit Autoren (besonders von Poeten) und Buchvorstellungen von Verlagen. Niemals hingehen: Zeitvergeudung. Nein, gehen Sie stattdessen auf die Parties, um jene Wunderwerke von menschlichen Druckmaschinen, ob Boulevard- oder Bestsellerproduzenten, persönlich zu treffen! Gehen Sie auf die Parties mit den teuersten Leuten, mitten in die komprimiertesten Ballungszentren. Und dort denken Sie immer an das eine Große Benimm-Vakuum, in dessen Zentrum Sie lodern sollten.

Vergessen Sie also jeden Fetzen an bürgerlichen Etikette-Resten in Ihrem Inneren. Greifen Sie nach dem ersten Champagnerglas, greifen Sie’s zur Not jemandem aus der Hand, der nicht so wichtig aussieht. Steuern Sie dann direkt auf anwesende Prominente zu, verlangen Sie Autogramme und das Signieren von Büchern, fordern Sie Visitenkarten und verabreden Sie künftige Hausbesuche. Wenn Sie einen wichtigen Bekannten treffen und ins Plaudern geraten, sehen Sie zu, dass Ihnen keiner dazwischen kommt. Stößt doch einer dazu, vielleicht der alte Freund XY, der sich erfolglos als freier Lektor durchs Bücherleben schlägt, stellen Sie ihn dem wichtigen Bekannten nicht vor. Niemals! Das könnte Ihre ganze Plauderei mit dem wichtigen Bekannten gefährden.

Grüßen Sie auch solche Spezies wie den alten Freund XY niemals ungebeten. Hier ist nicht der Ort und Hort der Herzlichkeit, nein. Verbergen Sie sich vielmehr ein Paar Sekunden hinter der Stellwand einer Verlagsbox, bis der Glücklose auf dem Gang der Halle weitergezogen ist. Läuft jedoch während Ihrer Unterredung mit der Koryphäe eines der Fräuleins vom Fräuleinwunder vorbei, halten Sie das Wunder am Ärmel fest, auch wenn Sie es zuletzt in der dritten Grundschulklasse gesehen haben, und stellen Sie das Wunder dem Wichtigmenschen vor: Das ist übrigens meine alte Freundin Jessie von Crummenlohe, die eben bei XY „Meine krassen Matratzen“ veröffentlicht hat. Das könnte sich lohnen. Er denkt, sie hätten wichtige Bekannte. Sie denkt dasselbe. Und beide können Ihnen noch nützlich werden. So wird’s gemacht, fangen Sie schon mal an zu üben - geht übrigens auf fast jeder Party, auch in Berlin.

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