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Das Schwein trügt. Sind das Selbstmordattentäter? Falsch. In Sylvain Estibans Film kann Sasson Gabay als armer Fischer und Schweinebesitzer die Israelis leider nicht von seiner Harmlosigkeit überzeugen.

© Alamode Film

Politkomödie: Des Widerborstigen Zähmung

Wider den tierischen Ernst: In der Tragikomödie „Das Schwein von Gaza“.gerät ein Moslem mit einem vietnamesischen Hängebauchschwein zwischen die Fronten des Nahostkonflikts.

Im Zuge der Beschneidungsdebatte ist derzeit häufiger davon die Rede, was Moslems und Juden gemeinsam haben. Um Gemeinsamkeiten geht es auch in der Tragikomödie „Das Schwein von Gaza“, die in der israelisch-palästinensischen Krisenzone spielt und es – bei aller Bissigkeit – letztlich auf nachbarliche Verbrüderung anlegt. Ein unter ausbleibendem Fangglück, israelischen Besatzungssoldaten und einer neunmalklugen Frau (Baya Belal) leidender Fischer fängt eines Tages ein vietnamesisches Hängebauchschwein in seinem Netz. Was soll der Mann tun, er ist doch gläubiger Moslem?

Zunächst versucht Jafaar (der Israeli Sasson Gabay, anrührend melancholisch), das Tier an einen UN-Beamten (Ulrich Tukur als peinliche Charge) zu verschachern, aber vergeblich. Dann nimmt er sich eine Kalaschnikow, nur kann der Herzensgute einfach nicht abdrücken. Beim dritten Versuch gerät er an die junge russisch-jüdische Siedlerin Yelena, die für ihre halb legal betriebene Schweinezucht das Ebersperma bestens gebrauchen könnte. Jafaars Widerstand, selbst Hand ans Schwein zu legen, ist nur zu verständlich. Doch bald blüht der heimliche Samenhandel , bis Jafaars Frau und bald auch die Islamisten der Schweinerei auf die Spur kommen.

Wenn Jafaar dann auch noch von den Israelis als Selbstmordattentäter gejagt wird, gerät der von dem französischen Fotografen und Regiedebütanten Sylvain Estibal mit grimmig-groteskem Witz geschriebene und inszenierte Film in etwas unübersichtlichen Turbulenzen. Bis das märchenhafte Ende dieser deutsch-französisch-belgischen Koproduktion dem Publikum eine Völkerverständigung am Lagerfeuer beschert.

Vorher jedoch gibt es zauberhafte, einprägsame Szenen wie Jafaars Flucht mit einem im Schafspelz erbärmlich schlecht getarnten Schwein. Oder die vorsichtige Annäherung zwischen Jafaars Frau und einem auf der Dachterrasse einquartierten israelischen Soldaten, Fans derselben Telenovela. So schön solche Annäherungen anzusehen sind, auf Dauer geht die paritätisch austarierte Wir-wollen-doch-alle-das-Gleiche-Menschelei am Kern des Konflikts vorbei. Schließlich geht es in Gaza nicht um einen mit etwas gutem Willen zu schlichtenden Nachbarschaftsstreit, sondern um erbitterte Interessenkonflikte und Machtkämpfe.

Am Ende profitiert nur einer von der Geschichte: das titelgebende Borstentier, das nach dem Sturz aus einem asiatischen Frachtschiff in jüdisch-muslimisches Gebiet dauerhaft dem Schlachthof (und dem nächsten China-Imbiss) entkommt und vermutlich schon über Konversion und Familiennachzug nachsinnt. Weitere Nahostkonflikte sind vorprogrammiert ... Silvia Hallensleben

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