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Polnische Klassik: Fryderyk & Co.

Klassik aus Polen? Davon weiß man erschreckend wenig. Man darf also von einer glücklichen Fügung sprechen, wenn jetzt ein Musikfestival in Berlin stattfindet, das es offiziell gar nicht gibt.

Klassik aus Polen? Obwohl die Grenze so nahe liegt, weiß man in Berlin erschreckend wenig von der Musikszene jenseits der Oder. Und so darf man von einer glücklichen Fügung sprechen, wenn jetzt ein Musikfestival in Berlin stattfindet, das es offiziell gar nicht gibt: Durch puren Zufall bieten vier Institutionen, die sich gar nicht abgesprochen haben, binnen weniger Tage zehn Konzerte mit Musik aus dem Nachbarland an. Es beginnt mit jenem Meister, den viele für einen Franzosen halten: Chopin, im Polnischen Fryderyk mit Vornamen. Daniel Barenboim spielt am 2., 3. und 4. Oktober beide Chopin-Klavierkonzerte bei den Berliner Philharmonikern, dazu gibt es Orchesterwerke von Karol Szymanowski und Witold Lutoslawski.

Chopin wird auch am 6. Oktober im Konzerthaus zu erleben sein. Janusz Olejniczak widmet seinen Klavierabend dem Andenken Wladyslaw Szpilmans und Will Hosenfelds. Durch Roman Polanskis Film „Der Pianist“ ist Szpilmans Schicksal bekannt geworden, der das Warschauer Ghetto dank der Hilfe des Wehrmachtsoffiziers Hosenfeld überlebte. Ebenfalls um den Zweiten Weltkrieg geht es tags drauf im Kammermusiksaal beim Liederabend der schwedischen Sopranistin Anne-Sofie von Otter: Im August 1942 erfuhr Otters Vater, der als Diplomat arbeitete, von einem SS-Mann Details über die Konzentrationslager. Er erstattete seiner Regierung Bericht, doch es erfolgte keinerlei politische Reaktion des nominell neutralen Staates. Bis zu seinem Tod litt Baron von Otter darunter, dass er damals nichts hatte ausrichten können. Und so sieht es die Tochter auch als eine Art Wiedergutmachung an, wenn sie Musik aus Theresienstadt aufführt: Es geht um Werke von Pavel Haas und Erwin Schulhoff, die den Delegationen des Roten Kreuzes bei Besuchen vorgeführt wurden, aber auch um jene Schlaflieder, die die Krankenschwester Ilse Weber für die Kinder im Ghetto-Hospital sang, bis sie zusammen mit ihnen deportiert wurde.

Seinen größten Erfolg konnte Felix Nowowiejski 1909 mit dem Oratorium „Quo vadis?“ verbuchen, heute ist er allenfalls noch unter Orgelspezialisten für seinen prunkvoll-spätromantischen Stil bekannt. Der Deutsch-Polnische Kulturverein widmet dem 1877 in Ostpreußen geborenen und in Berlin ausgebildeten Tondichter vom 9. bis 11. Oktober mehrere Porträtkonzerte. Dabei sind sowohl der Sohn wie auch die Enkelin des Komponisten an der Orgel zu erleben (www.nowowiejski). Frederik Hanssen

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