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Christian Mazzalai, Thomas Mars, Laurent Brancowitz und Deck D’Arcy sind Phoenix.

© Warner

Pop-Band aus Frankreich: Phoenix: Die Liebe zum Obstsalat

Zwischen Kitsch und Krise: eine Begegnung mit der französischen Pop-Band Phoenix, deren neues Album "Bankrupt!" am Freitag erscheint.

Womit fängt die Midlife-Crisis an? Wie lange dauert sie? Und wie erkennt man sie eigentlich? Die Psychologie ist sich bis heute nicht ganz sicher, ob sie überhaupt existiert. Fest steht aber: Musiker und Musikerinnen, die in Bands spielen, kennen das Phänomen. Es führt entweder zur Auflösung der Gruppe oder zu einer Neuorientierung. Vorausgegangen ist meistens ein sehr erfolgreiches Album, dem einige Anläufe vorausgingen.

Das französische Quartett Phoenix hat 2009 mit seinem vierten Werk „Wolfgang Amadeus Phoenix“ den Sprung geschafft. Es folgten Ruhm, Touren, Rastlosigkeit und der Druck, wieder ein großartiges Album aufnehmen zu müssen. Die Kreativität erstickte. Die Gruppe hat sich förmlich zum neuen Album „Bankrupt!“ gequält.

Beim Gespräch in Berlin erklärt Sänger Thomas Mars, der mit der Filmemacherin Sofia Coppola verheiratet ist, die hohen Standards der Band: „Es gibt drei Arten von Künstlern: Die einen machen immer so weiter, wie sie es kennen. Die anderen suchen immer nach etwas Neuem. Das ist manchmal zu experimentell und deshalb unhörbar. Dann gibt es noch unsere Lieblingskünstler, die setzen auf beide Richtungen. So wollen wir auch sein.“

Phoenix versuchten, sich von den lähmenden Erwartungen zu befreien, indem sie den Blick in die Vergangenheit richteten. Sie schauten unzählige Videos von Musikern wie dem französischen Elektropop-Pionier Jacno oder dem italienischen Liedermacher Franco Battiato an. Beide stammen aus einer Zeit, als Musik noch für Qualität stand, meint Gitarrist Laurent Brancowitz: „Die Tradition guter Musik ging um 1985 zu Ende. Sie kam dann im Jahr 2000 mit den Strokes zurück. Jetzt klingt der Durchschnitt zwar wieder ganz gut, aber es wird auch langweiliger.“

Er glaubt, dass eine neue Welle schlechter Musik bevorstehe. „Die Zivilisation wird gerade von den Barbaren zerstört. Wir können sie schon sehen.“ Thomas Mars steht auf und geht zum Fenster. Wie ein Feldherr zeigt der 36-Jährige nach draußen: „Sie verstecken sich in Las Vegas und Miami. Vielleicht sind sie auch schon da unten vor der Tür. Sie haben sich lange versteckt, aber jetzt können wir sie wieder erkennen. Es geht los!“

Auch auf dem neuen Album „Bankrupt!“ haben sich die Barbaren bereits eingeschlichen. Spielte die Band auf dem Vorgänger-Album mit den Songtiteln noch auf Komponistenfürsten wie Liszt oder Mozart an, nennt sie ihre Stücke nun „SOS Bel Air“ oder „Drakkar Noir“, nach einem Duft aus den achtziger Jahren. Sie seien eben ein bisschen nostalgisch geworden, berichten die vier Franzosen. Im Kern hat sich die Musik nicht verändert, nur die analogen Synthesizer sorgen für neuen Schwung.

Außerdem wurde das Album auf einem besonderen Mischpult gemixt. Es ist das Pult, mit dem 1982 Michael Jacksons Album „Thriller“ aufgenommen wurde. Gitarrist Laurent Brancowitz hat es aufgestöbert: „Ich habe gesehen, dass die Konsole für eine Million Dollar zum Verkauf angeboten wurde. Das war viel zu viel. Ein Jahr später habe ich dann zufällig entdeckt, dass sie immer noch auf dem Markt ist. Sie sollte nur noch 20 000 Dollar kosten.“ Der Verkäufer war ein ziemlich schräger Typ, doch er hatte Unterlagen, die bewiesen, dass es tatsächlich die Konsole von „Thriller“ war. Es passt zu „Bankrupt!“, dass ein altes Mischpult der Band wieder Leben eingehaucht hat. Laurent Brancowitz sagt: „Du musst reproduzieren. Aber dann musst du eben auch Neues erschaffen. Deshalb sind wir hier. Es ist ein wenig so wie bei einem Vogel: Der baut sein Nest seit Millionen Jahren immer auf dieselbe Weise. Aber wir Menschen können verzieren und innovativ sein.“

Man merkt den Stücken den Willen zur Neuordnung an. Die Lockerheit, die ihre Fans zu „Lisztomania“ tanzen ließ, ist verflogen. Es gibt zwar Momente, in denen sie noch einmal aufkommt, etwa in den Stücken „Entertainment“, „Don’t“ und „Oblique City“. Programmatisch steht jedoch in der Mitte des Albums das siebenminütige Titelstück – ein kalkulierter Störeffekt. Die erste Hälfte besteht aus einer fragmentarisch-erratischen Erkundung der Klangmöglichkeiten des Synthesizers, bevor nach vier Minuten Gesang und Gitarren einsetzen. Eine Richtung bekommt der Song dadurch aber nicht.

Durch ihre stärkere Hinwendung zu Keyboards und Synthesizer erinnert der Phoenix-Sound streckenweise an Zoot Woman. Die Gruppe um den Produzenten Stuart Price hatte bereits 2001 mit „Living in a Magazine“ mitreißenden Synthiepop veröffentlicht. Die Platte war damals ein guter Gegenpol zu der zeitgleich stattfindenden Wiederbelebung des Garagenrocks durch Bands wie die Strokes. Heute wirkt das ein wenig unbeholfen. Gerade im elektronischen Sektor gibt es Spannenderes wie Austra oder Grimes.

Phoenix wollen großen, klassischen Pop machen. Das zeigt auch das Pop- Art-Cover der Platte, das einen sehr einfach strukturierten, bunten Pfirsich zeigt. Es ist eine Referenz, wie Laurent Brancowitz erklärt: „Wir lieben die kleinen Früchte, die Pac-Man auffrisst, die Banane von Andy Warhol oder den Apfel, den die Beatles benutzt haben. Der Pfirsich passte, weil er modern aussieht. Für sich ist er noch keine Kunst. Man muss das wie bei der berühmten Campbell-Dose von Warhol ein wenig anschubsen. Dann ist es Kunst.“ Dass „Bankrupt!“ Phoenix aus ihrer Midlife-Crisis herausschubst, ist hingegen eher unwahrscheinlich.


„Bankrupt!“ erscheint am Freitag, 19. 4., bei Warner

Dennis Kastrup

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