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Twang macht die Gitarre. Dan Auerbach im Studio. In Nashville hat er sein eigenes.

© Label

Pop: Dan Auerbachs neues Album: Heiß wie Nashville

Das bislang tollste Sommeralbum des Jahres: Dan Auerbachs „Waiting on a Song“.

Die Hölle braucht keinen Hochglanz. Sie ist einfach nur heiß und hässlich. Das Video zu Dan Auerbachs grandiosem Desillusionierungssong „King of the One Horse Town“, zeigt einen knochigen Althipster mit Rübezahl-Bart, der durch eine heruntergekommene Provinzstadt schlurft. Es geht vorbei an verwilderten Gärten und zerbröselnden Holzfassaden, auch das Baseballstadion hat seine besten Zeiten hinter sich. Dazu federt eine Rhythmusgitarre, Kunstgeiger schäumen und ein Backgroundchor säuselt. Auerbach singt: „I can’t see there’s any signs of life / I coulda made it but I messed around.“ Höchststrafe für Loser: lebenslang in der Geisterstadt bleiben müssen. Auerbach formuliert es so, Bob Dylan zitierend: „Guess I’ll stay on desolation row.“

Aus der Straße der Ölsardinen ist eine Avenue der Trostlosigkeit geworden. Verzweiflung und Wut der Abgehängten sind seit der Großen Depression nicht kleiner geworden. Man könnte „King of the One Horse Town“ für einen weiteren Protestsong gegen Donald Trump halten und den Zynismus, mit dem er die Nöte des White Trash im Wahlkampf benutzte. Aber Dan Auerbachs Stück, das einer Kurzgeschichte gleicht, ist auch eine Satire mit einem tragikomischen Helden, der umnebelt von Drogen ins Unglück taumelt. „Everyday is just a little white lie / Telling myself I’m gettin’ by“, formuliert er die Selbstanklage. Leben in der Weißen Lüge.

Es gibt auch schon ein Prequel von „King of the One Horse Town“, das Video zu „Waiting on a Song“, dem Titelstück von Auerbachs gerade erschienenem Album. Es beschreibt den „größten Sommer unseres Lebens“, den Schritt von fünf langhaarigen Schulkumpels in einem Provinzkaff irgendwann Ende der siebziger Jahre hinaus aus der Kindheit. Hinein in die Welt. Vier von ihnen werden am Ende die Stadt verlassen, um sich an einem College einzuschreiben. Einer bleibt und arbeitet im Kramladen seines Vaters.

Vollrausch, Sex, Joint - das volle Programm

Erster Vollrausch, erster Sex, erster Joint: das volle Coming-of-Age-Programm. Und der stets angetrunkene Jeans-Junge, der von den anderen zurückgelassen wird, verwandelt sich in den späteren Rübezahl-Schrat mit Drogenproblem. Dazu Glockenspiel, Schaukelgitarre, Conga-Rasseln. „I been thinking and been hummin’ / Just waiting, waiting on a song“, singt Auerbach. Einen Song zu suchen, das muss so ähnlich sein wie den Sinn des Lebens zu suchen.

„Waiting on a Song“ ist das bislang tollste Sommeralbum des Jahres. Wobei es sich nicht um eine durchkonzipierte Großplatte handelt, sondern um eine fröhliche und nicht einmal 33 Minuten lange Fingerübung. Dan Auerbach, berühmt geworden mit seiner Neobluesband Black Keys, hat sein zweites Soloalbum im eigenen Studio in Nashville aufgenommen und auf seinem Label Easy Eye herausgebracht. Mitgemacht haben dabei über ein Dutzend Musiker aus der dortigen Session-Elite, darunter der fast 80-jährige Twang-Gitarrist Duane Eddy, Elvis Presleys Keyboarder Bobby Wood und der Country-Songwriter John Prine.

„Ich arbeite jeden Tag“, hat Auerbach in einem Interview erzählt. „Wir veranstalten entweder Songwriter-Sessions oder Aufnahme-Sessions. Mit diesen Leuten, die jetzt meine Hausband sind, arbeitete ich immer weiter. Und es ist immer noch aufregend, ein großer Spaß.“ Als er die Rumpel-Hymne „Shine on Me“ geschrieben hatte, fand Auerbach, dass der Song so klinge „als müsse Mark Knopfler unbedingt mitspielen“. Er schickte die Rohversion an den Dire-Straits-Gitarristen, und zwei Tage später kam sie mit dessen Klangspur zurück. Allerdings ist das auch das Problem von „Shine on Me“: Der Song wurde zum Gefangenen von Knopflers drahtig vibrierendem Signature Sound.

Ein fingerschnipsendes Bekenntnis zum Hedonismus

„Living in Sin“ ist ein fingerschnipsendes Bekenntnis zum Hedonismus, mit Rumpelrhythmus und jubilierender Twang-Gitarre wie aus den Gründertagen des Surfrock. „Malibu Man“ huldigt mit Streichern und gedämpften Bläsersätzen dem Phillysound, wobei der Sänger davon fantasiert, an die Westküste zu ziehen und sein Leben dem Surfen und Vegetarismus widmen zu wollen, während der Bart immer länger wird.

Ein Pastiche aus Soul und Yacht Rock, der wie eine Satire auf die Hipster von Los Angeles wirkt. Allerdings sieht Auerbach genauso aus: bärtig, alternativ, hip. Der Softrock der siebziger Jahre klingt immer wieder durch, Honkytonk-Klaviere, Boogierock. „Never In My Wildest Dream“ ist sogar ein Country-Walzer. Nur die Musik, die zur Kernkompetenz der Black Keys gehört, kommt nicht vor: Blues. Dafür fehlt auch der dort mitunter etwas zu breitbeinig ausgestellte Rockismus. Eine Platte, die man bei Temperaturen von 32 Grad Celsius aufwärts eiskalt genießen sollte.

„Waiting on a Song“ von Dan Auerbach ist bei Easy Eye Sound erschienen.

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