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© dpa

Album zum freien Download: Radiohead bitten Fans wieder zur Kasse

Die Band Radiohead hat ihr aktuelles Album acht Wochen lang als Download im Netz angeboten - zum frei wählbaren Preis. Diese Woche endete das Angebot. Sind Radiohead mit dieser Aktion zu Pionieren geworden, deren Aktion Nachwirkung hat, oder war alles nur ein geschickter Werbecoup?

Nur eine unscheinbare Ankündigung machte es am 1. Oktober auf der offiziellen Homepage klar, am nächsten Tag ging es durch die Medien in aller Welt: Die britische Band Radiohead veröffentlichte als erster großer Act ein komplettes Album im Internet - ohne Kopierschutz, ohne die Hilfe einer Plattenfirma und vor allem ohne jegliche Preisbindung. Wer nicht dafür bezahlen wollte, zahlte auch nicht.

Dieser mutige Schachzug bedeutete nicht nur eine Kampfansage an die Musikindustrie, sondern auch die Möglichkeit, die Zahlungsbereitschaft der Konsumenten zu testen. Die Resonanz auf das Download-Angebot war wie erwartet sehr positiv - bezahlt haben allerdings die wenigsten. Ein finanzieller Flop ist die Online-Veröffentlichung von "In Rainbows" rückblickend dennoch nicht.

Die Zahlen

Die Band selbst schweigt sich darüber aus, wie häufig das Album herunter geladen und welche Preise dafür gezahlt wurden. Unabhängige Messwerte sprechen allerdings von weit mehr als 1,5 Millionen Downloads. Nach Angaben des US-Marktforschungsunternehmens Comscore zahlten über 60 Prozent der Nutzer nicht. Dennoch: Selbst abzüglich aller Zahlungsverweigerer gehen Insider von einem Durchschnittspreis von zirka 2,20 US-Dollar (1,50 Euro) pro User aus. Sollten diese Zahlen in etwa stimmen, wäre das Experiment für Radiohead ein beachtlicher wirtschaftlicher Erfolg. Um mit einer regulären Tonträger-Veröffentlichung den gleichen Gewinn zu erzielen, hätte die Band in zwei Monaten fast eine Million CDs verkaufen müssen - praktisch unmöglich. Nach Einschätzung von Branchenkennern blieben Radiohead bei einer normalen Veröffentlichung durch ein Label maximal 2,50 US-Dollar pro verkaufte Einheit, der Rest gehe in Vertrieb, Marketing und Verwaltung. Allesamt Kosten, die der Gruppe im Falle von Eigenvermarktung erspart bleiben.

Plattenfirmen in der Kritik

Radiohead haben mit ihrem innovativen Geschäftsmodell viele andere Künstler zum Nachdenken angeregt. Im Kontext von Filesharing-Prozessen, Kopierschutz und neuen Vermarktungsmodellen sind gerade große Plattenfirmen, so genannte Major Labels, in Verruf geraten. Mangelnder Künstler-Support, Starrköpfigkeit und festgefahrene Marketing-Strukturen bei den Majors werden vermehrt auch von erfolgreichen Acts stark kritisiert. Nicht ohne Grund haben auch Radiohead ihren Vertrag mit der Firma EMI nach Ablauf nicht verlängert. Auch Trent Reznor, Kopf der sehr erfolgreichen US-Industrial-Rock-Band Nine Inch Nails, hat die Nase von Multi-Konzernen gestrichen voll. Reznor sabotierte und beleidigte seine Plattenfirma Interscope Records (eine Tochter der Universal Music Group) so lange in der Öffentlichkeit, bis ihn diese schließlich aus seinem Vertrag entließ. Sein neuestes Projekt vertreibt Reznor nun - ähnlich wie Radiohead - exklusiv über das Internet.

Zukunftsmodell - wohl nur für Superstars

Derartige Vermarktungsmodelle sind für Künstler wie Nine Inch Nails oder Radiohead sicherlich effektiv, weil sie seit Jahren konstant gute Verkaufszahlen und eine äußerst loyale Fangemeinde aufweisen können. Sänger Thom Yorke bestätigt das im "Spiegel": "Wir kennen einige berühmte Kollegen, die sich seit langem mit ähnlichen Ideen tragen. Immerhin locken Freiheit und auch eine Menge Geld". Für kleinere Acts, denen es an Bekanntheit und Werbemöglichkeiten mangelt, kann der ausschließliche Vertrieb ihrer Musik über das Internet jedoch weiterhin nur eine willkommene Ergänzung sein. Selbst Josh Homme, Sänger der durchaus erfolgreichen Band Queens Of The Stone Age, räumte ein, dass er das Radiohead-Konzept "cool" fände, aber eben nicht jede Band Radiohead sei. Homme bezeichnete seine Plattenfirma (ebenfalls Interscope Records) kürzlich in einem Interview als "einen Laden voller Idioten".

Digital ist nicht alles

Es heißt häufig, MP3 wäre die Zukunft der Musik, die CD vom Aussterben bedroht. Radiohead und deren Fans sehen das anders. Ab sofort ist "In Rainbows" als exklusiv aufgemachte Discbox zum Preis von 40 Britischen Pfund (55 Euro) über die Website der Band erhältlich. In dieser Box befindet sich das Original-Album im CD-Format sowie als Doppel-Vinyl. Dazu eine CD mit bisher unveröffentlichten Aufnahmen, ein Abdruck aller Texte, exklusive Fotos und vieles mehr. Die Standardausgabe wird am 31. Dezember über "XL Recordings / Beggars Banquet" veröffentlicht. Radiohead haben sich also doch erneut für ein Label entschieden, wenn auch für ein deutlich kleineres. Nachvollziehbare Vorwürfe, die Download-Aktion wäre somit lediglich ein geschickter Werbecoup gewesen, bezeichnet Sänger Thom Yorke dennoch als "Müll".

Dem weiteren Erfolg der Band wird all das nicht schaden - im Gegenteil. Fans und Kritiker attestierten "In Rainbows" bereits mehrheitlich außerordentliche Qualitäten. Der wahre Wert von Musik lässt sich eben nicht mit Geld aufwiegen.

Christian Pommerening

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