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Console verharren jenseits des Dancefloors

© Indigo

Console - Herself: Die Zärtlichkeit der Maschinen

Vier Jahre nach ihrem letzten Werk zaubern Console kurz vor Jahresende noch ein Elektroalbum auf den Gabentisch. Es klingt ernst, gelassen und zärtlich. Musik für das Ende der Nacht.

Es fängt alles damit an, dass Martin Gretschmann im Tourbus der bayrischen Indie-Band Notwist durch die Gegend rollt. Er hat den Laptop auf den Beinen und frickelt mit Hilfe eines Musikprogramms an einigen Ideen herum. Draußen vor dem Fenster ziehen mit den Kilometern dunkle Landschaften vorüber, drinnen die sanften Beats, die Gretschmann seiner Rechenmaschine entlockt. Diesen Ursprung im nächtlichen Reisen meint man Herself förmlich anzuhören. Nach Hause zurückgekehrt geht es mit den Rohfassungen ins Studio. Dort im heimischen Weilheim legt Perfektionist Gretschmann letzte Hand an. Vor allem aber kommt der bezaubernde Gesang von Miriam Osterrieder dazu. Letztere macht aus exzellenten Ambient-Tracks elegante Popsongs, die die Schwermut der Gegenwart auf eine Art und Weise in Tüten packen, wie es anno dazumal Bands vom Kaliber von Talk Talk, The Cure oder Orb gelungen ist.

Herself ist ein spätes Meisterwerk eines Genres, das manchmal schon etwas nach Pensionsalter riecht. Dass das Album von Console diesen strengen Geruch nicht angenommen hat, ist ein Glücksfall und einer Produktion zu verdanken, die lässig auf Ambient Orb’scher Ausprägung, minimalistische Grooves und sphärische Melodien baut. Gretschmann gelingt es dabei, seine Musik-Maschinen äußerst sanft, fast menschlich klingen zu lassen. In diesen Klanglandschaften kann man sich sofort heimisch fühlen. Dafür braucht es auch keine herausragenden Hits.
Jeder Track steht für sich. Alle Stücke lassen sich dank des überbordenden Einfallsreichtums bei jedem Durchlauf neu entdecken und ergeben trotz ihrer jeweiligen Alleinstellungsmerkmale doch ein harmonisches Ganzes. Der dadurch entstehende sphärische Gesamteindruck ist zwingend bis zum Schluss, der nach knapp einer Stunde viel zu früh kommt.
Herself wird auf Vinyl als Doppel-LP ausgeliefert. Dankenswerterweise ist dem Album auch eine CD beigelegt.


Ebenfalls neu auf Vinyl:
Minimal Music, Jazz und Elektro vereinen Brandt Brauer Frick auf ihrer Debüt-LP You make me real. Der Witz dabei: Fast alles ist mit analogen, meist sogar akustischen Instrumenten aufgenommen. Das ist spannend und ermöglicht einen neuen, anspruchsvollen Blickwinkel auf Ambient-Musik. Die Band setzt durchgängig auf stark repetitive Fundamente aus Bass und Schlagzeug. Darüber werden Schichten aus Perkussion, Bläsern, Streichern, Klavier und analogen Synthesizern gelegt. An manchen Stellen (Heart of Stone) klingt das nach den späten Yello ohne Gesang.

Martin Väterlein

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