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Die Toten Hosen und "W8-Frauen" übergeben 50 000 Unterschriften

© dpa

Engagement für Oxfam: Die Toten Hosen retten mit Starrsinn die Welt

Vor ihrem Konzert am Freitagabend in Berlin sprachen Campino, Andi und Breiti über ihr Engagement im Kampf gegen Armut und Unterentwicklung. Alles nur wohlfeil oder mehr?

Sie sind Punker. Sie machen harte Musik. Sie sind die bösen Jungs – und retten die Welt. „Wenn man einmal im besten Krankenhaus von Lusaka in Sambia gewesen ist, einem Land, dem es vergleichweise gut geht“, sagt Campino, „ist man gegen Abstumpfung gefeit.“ Bis zu dreißig Tote würden pro Tag mit dem Taxi angeliefert. Es fehle an allem. Sogar an Aspirin. Deshalb setze er sich „immer wieder mit stoischer Penetranz“ dafür ein, dass die reichen Staaten ihren Verpflichtungen nachkommen. Was das mit der Musik der Toten Hosen zu tun hat? Auch als Band zeigen sie sich stoisch. Seit über 27 Jahren ziehen sie ihr Ding durch. Verlacht und abgeschrieben, aber immer da. Ihr Status verdankt sich dieser Unverbesserlichkeit.   Vor dem Berliner Konzert am Freitag nahmen sich Campino und seine beiden Kollegen Breiti und Andi Zeit, um ihren Starrsinn mit den Unterschriften von etwa 55.000 Fans zu unterstreichen, die Entwicklungshilfeministerin Wieczorek- Zeul übergeben werden sollten. Oxfam hatte die Stimmen auf der „Machmalauter“-Tournee gesammelt. Eine „Erinnerung“, sagt Campino, an die Bundesregierung vor dem G8-Gipfel in Italien, sich in der Krise nicht von den Millenniumszielen abzuwenden. Umringt werden die Toten Hosen auf der Pressekonferenz von Vertreterinnen der W8, einem lockeren Frauen-Verbund aus Bangladesh, Georgien, Indien, Malawi, Mali, Nicaragua, den Philippinen und Thailand. Die Damen, in exotische Tücher gehüllt und von erlesener Eleganz, verleihen der Forderung nach Aufstockung der Entwicklungshilfe- Etats mehr Nachdruck, vor allem emotional. Sie appellieren an Frau Merkel: Sie müsse doch empfänglich sein für die skandalös hohe Zahl an Frauen, die noch immer jährlich im Kindbett stürben.

Campino war auf Einladung von Oxfam in Afrika. Im Vorfeld des G8-Gipfels in Heiligendamm vor zwei Jahren machte er sich der Sänger der Toten Hosen zusammen mit Gitarrist Breiti und Bassist Andi ein eigenes Bild von der humanitären Notlage in Ländern wie Uganda und Malawi. Den Kontakt zu der Hilfsorganisation hatte Bob Geldof hergestellt. Schon Campinos Mutter war als Oxford-Studentin nach dem Zweiten Weltkrieg nach Deutschland gekommen, wo sie als Journalistin für die BBC arbeitete und dabei ihren Mann kennenlernte. Diesem Geist des Aufbaus ist auch ihr Sohn verpflichtet, wie seine kurze biografische Erläuterung erklärt.   Vielen schien es 2007 rührend unpassend, dass Popstars wie Campino, Geldof und Bono bei dem Protest-Festival zum G8-Gipfel wohlfeile Forderungen an die in Heiligendamm versammelten Staatenlenker stellten. Als wenn es irgendwas an der Armutsmisere ändere, dass weiße Plattenmillionäre in Afrika ihr Paulus-Erlebnis haben und dort erst begreifen, wie die Welt mit den Schwächsten wirklich umspringt.

"Sie werden, ob Sie wollen oder nicht, wieder von uns hören", kündigt Campino an. Er weiß sich in guter Gesellschaft: 70 Prozent der Deutschen wünschen sich einer Umfrage zufolge, mehr Mittel zur Armutsbekämpfung. Doch seinen Verpflichtungen kommt Deutschland nicht nach. Oxfam-Sprecher Jörn Kalinski referiert: Um den selbst gesetzten Zielen gerecht zu werden, müsste das Entwicklungshilfe-Budget 2010 um 3,7 Milliarden Dollar aufgestockt werden. Lediglich 30 Millionen sind vorgesehen. Was soll’s - Ziele, die man sich selbst gibt, denkt sich die Große Koalition, darf man selbst auch verfehlen. So böse wie Politiker, die ihre Versprechen nicht halten, können Punkmusiker gar nicht sein.

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