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Feiertagsvorstellung: Deutsche Geister in der Philharmonie

Ingo Metzmacher und das Deutsche Symphonie Orchester spielen Pfitzner.

Es ist recht und gut, dass Ingo Metzmacher als neuer Chefdirigent des Deutschen Symphonie-Orchesters die Wege vermeiden will, die zum Einerlei der Klassik im Musikbetrieb führen. Dem Nachfolger Kent Naganos schwebt Interessantes vor: „Unsere Selbstbefragung über das Deutsche in der Musik.“ Zu diesem Thema hat das DSO ein eigenes, lesenwertes Handbuch (128 Seiten, 8 Euro) herausgegeben, betitelt nach Hans Pfitzners Kantate „Von deutscher Seele“.

Es steckt schon Trotz dahinter, dieses Stück ausgerechnet am 3. Oktober aufzuführen. In der Berliner Philharmonie bleiben viele Reihen leer. Nicht nur, dass der Komponist sich in seinen theoretischen Schriften gegen „zersetzenden jüdisch-internationalen Geist“ auflehnte, dass er 1944 dem Generalgouverneur von Polen, der später den Beinamen „Polenschlächter“ erhielt, eine „Krakauer Begrüßung“ widmete – nein, Pfitzner blieb auch nach dem Krieg unbelehrbar und sein Hitler-Bild unbeirrt: „Er wollte sein Vaterland wieder stark und frei machen & darüberhinaus noch Europa einen großen Dienst erweisen, indem er alle Juden aus ihm vertriebe & wenn es sein musste, radikal ausrotten wollte.“ Ein verbitterter Mann, „querständig“, so Wolfgang Rihm. An ihm scheiden sich die Geister. Musikalische Ohren wollen ihn hören.

Der Tag der Deutschen Einheit ist ein empfindliches Datum. Daher hätte man von einem Gespräch mit Egon Bahr vor dem Konzert politische Stellungnahme erwartet. Bahr aber weicht Fragen von Ernst Elitz zu dem Pfitzner-Termin mit Hinweis auf missbrauchte Musik (Liszt) aus. Vom Zentralrat der Juden indes liegt scharfe Kritik vor. Metzmacher rehabilitiere Pfitzner „in skandalöser Weise“.

Natürlich soll die Kantate gespielt und befragt werden. Aber muss es an diesem Tag sein, wenn vielen Menschen damit wehgetan wird? Das Amt eines Chefdirigenten hat nicht nur mit Mut, sondern auch mit Verantwortungsgefühl zu tun.

„Von deutscher Seele“ ist romantische Musik eines reaktionären Genies. Es geht um die unergründliche Tiefe der Seele, die schöne Natur, den alten Garten, lustigen Lärm, innige, manchmal unerhörte Harmonien: „Gott behüte Land und Haus.“ Harfenklang, (faszinierend gespielte) Soli von Horn, Flöte und Klarinette. In seliger Homophonie besingt der Rundfunkchor die Nacht, die zudem ein Orchesterporträt, „Sehr feierlich“, ausmalt. Robert Holl, im Gesangsquartett als einziger textdeutlich, ist „Friedensbote“: Ein Soldat singt seiner Liebsten vor: „Schlaf ruhig, das Land ist ja frei!“ Fortissimo, Beckenschlag. Welche Diskrepanz zu der Kriegsthematik bei Mahler! Metzmacher dirigiert das DSO souverän. Und die Musik ruft zum Durchhalten auf: „Fass das Steuer, lass das Zagen! / Aufgerollt hat Gottes Hand / Diese Wogen zum Befahren / Und die Sterne, dich zu wahren.“

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