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Neues N.E.R.D-Album: Girls, Girls, Girls

Frauenbewunderer und Popversteher: N.E.R.D und ihr großartig verbocktes Album „Nothing“.

Es hat seinen speziellen Charme, ein neues Album kurzerhand „Nothing“ zu nennen. Nichts ist da natürlich nie. Schon gar nicht bei einer Band, die dank der vielfältigen, die Popwelt der letzten Dekade maßgeblich beeinflussenden Produzententätigkeit ihrer Mitglieder nicht anders als als „Supergruppe“ bezeichnet werden kann: N.E.R.D., abgekürzt für „No One Ever Really Dies“, bestehend aus Pharrell Williams, Chad Hugo und ihrem alten Schulfreund Shae Haley. Gerade Williams und Hugo haben von Madonna über Gwen Stefani bis zu Justin Timberlake und Jay-Z schon alle Größen des Pops produziert.

Allerdings weiß man nun gerade bei dieser Supergruppe nie recht, ob sie für die Beteiligten nur die Pflicht oder doch die Kür darstellt. Ob sie als hauptamtliches künstlerisches Ausdrucksmittel gilt oder doch mehr eine Probebühne ist, auf der Spaß und Daddeleien regieren.

Auf Bedenken dieser Art hat Pharrell Williams einmal mit dem pathetischen Satz „N.E.R.D. ist unser Leben“ reagiert. Damit wollte er einen klaren Trennstrich zu seiner Tätigkeit als Produzent ziehen: Leben versus Arbeit. Der Titel des inzwischen vierten N.E.R.D.-Albums verdankt sich einer genervten Verbocktheit, die in eine ähnliche Richtung geht. Denn mal war die Plattenfirma nicht zufrieden mit dem Ergebnis der zehn neuen Tracks, mal waren es Williams und Hugo selbst. Weshalb das Album mehrmals angekündigt und wieder verschoben wurde. Das kommt einem Marketing-Selbstmord gleich, denn gerade kurz vor Weihnachten buhlen traditionell alle großen R-&-B- und Hip-Hop- Künstler mit neuen Produktionen um die Aufmerksamkeit des jungen Pop-Publikums.

„Nothing“ aber ist neben dem jüngsten Kanye-West-Album „My Beautiful Dark Twisted Fantasy“ das aktuell definitiv befriedigendste und beste im Fachbereich Black Music. Ein Hip-Hop-Album fast ohne Hip-Hop, dafür mit umso mehr Rock, Soul und vor allem Funk. Und ein Produktionswunder sowieso. Denn N.E.R.D verstehen es perfekt, Klänge und Stimmungen der sechziger und siebziger Jahre nachzubilden. Wozu nicht zuletzt die außergewöhnliche Falsettstimme von Pharrell Williams beiträgt. Einer der großen Hits des Albums, „Hypnotize U“, klingt, als sei der große Curtis Mayfield auferstanden und hätte sich für N.E.R.D. ans Mikrofon begeben; ein Song, dem merkwürdigerweise die französischen Neo-Discoteers Daft Punk den letzten, im Übrigen völlig Daft-Punk-untypischen Schliff gegeben haben.

Doch bevor es zu diesem ersten „Nothing“-Höhepunkt kommt, geben Williams, Hugo und Haley im Eröffnungsstück die inhaltliche Richtung vor. „Party People“ heißt dieses, gesungen zu einem nervösen Synthie-Funk-Beat: „What I need, what I need is that girl there/Party people, party people, I came to get down, get the fuck up“. Da kann man gar nicht anders als sofort mitzumüssen, da knackt und funkt es dermaßen, dass sich die Partylaune wie von selbst einstellt. „Party People“ weist mit seinen simplen Lyrics jedoch genauso darauf hin, dass es mit dem Sendungsbewusstsein von N.E.R.D., einem politischen zumal, nicht weit her ist; dass Pharrell Williams zwar ein begnadeter Musiker, aber nicht unbedingt der elaborierteste seiner Zunft ist: „Wir wollten ein Album aufnehmen, das seine Aufmerksamkeit vor allem Frauen schenkt. Frauen sind wunderbar“, hat er bei einer Listening-Session zu Protokoll gegeben.

Und so hört sich das an: Williams sehnt sich in „Hypnotize U“ nach der Berührung seiner Angebeteten, schlüpft in „Perfect Defect“ in die Rolle eines hässlichen, aber selbstbewussten Entleins und weiß in dem grandios primitiv vor sich hinpumpenden Schlussstück „Hot & Fun“, zusammen mit der emanzipatorischer Bestrebungen gleichfalls eher unverdächtigen Nelly Furtado: „All the girls want hot ’n’ fun, all they looking for is hot ’n’ fun, all they ask for is hot ’n’ fun, they keep wanting that hot ’n’ fun.“

Ob N.E.R.D. bei solchen Zeilen wirklich die großen Frauenversteher und Frauenbewunderer sind, sei einmal dahin gestellt. Von drei Endzwanzigern, die am Ende ihrer Partytage am liebsten im Studio herumsitzen, ist das kaum zu erwarten. Ein Nerd ist eben ein Nerd. Popversteher und Popbewunderer sind N.E.R.D. jedoch allemal. Für „Nothing“ haben sie ein Sounduniversum kreiert, in dem noch jede Trompete cool klingt, in dem jede Hammondorgel drogenumnebelter, perlender oder schrummeliger klingt als in den Sechzigern. Und in dem man sich stets wie auf einer Zeitreise in die großen Zeiten des Soul, des Funk und manchmal des New-Metal (hach!) fühlt. „Nothing“ hat während seiner knapp vierzigminütigen Spielzeit keinen Ausfall – wäre da nicht der merkwürdige Titel, müsste man der Band attestieren: alles richtig gemacht!Gerrit Bartels

„Nothing“ von N.E.R.D. ist bei Interscope/Universal erschienen.

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