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Günter Noris: Big, Band, Bund

Von den Tanzclubs der Amis bis zur Big Band von Ray Charles: Zum Tod des Komponisten Günter Noris.

Es war ein Experiment, als 1971 der damalige Bundesverteidigungsminister Helmut Schmidt den Pianisten Günter Noris, einen ausgewiesenen Swing-Experten, zum Gründer der Bundeswehr-Bigband ernannte. Die Bundeswehr sollte von ihrem Defiliermarsch-Image wegkommen, sie sollte mehr Jazz wagen. Noris richtete in einer Euskirchener Kaserne ein „musikalisches Trainingslager“ ein und probte mit seiner Truppe ein Programm, das zwischen Glenn Miller, Udo Jürgens und The Sweet changierte. Ihren ersten großen Auftritt absolvierte die Bigband bei einer Nato-Ministertagung in Brüssel. Schmidt war begeistert: „Das Orchester trifft mit jedem Ton die Stimmungslage und die Erwartungen der heutigen Soldatengeneration.“

Den Swing zu lieben gelernt hatte Noris, so wie viele deutsche Musiker seiner Generation, in den Tanzclubs der amerikanischen Armee. 1935 in Bad Kissingen geboren, begann er Mitte der fünfziger Jahre eine klassische Ausbildung am Bayerischen Staatskonservatorium in Würzburg. Nach dem Examen wechselte er in die Combo des Berliner Saxophonisten Helmut Brandt, damals das beste deutsche Jazz- Quintett. In Berlin machte Noris Karriere im Rias-Tanzorchester. Und in Berlin traf er Hildegard Knef, die ihn 1966 zum musikalischen Leiter ihrer ersten Gesangstournee machte. „Diese Stimme musste man auf Händen tragen“, erinnerte sich Noris. „Ein Swingquintett war die Idealbegleitung.“ Die Konzertreise wurde zum Triumph. Bald danach schrieb Noris eines der schönsten Lieder der Knef, bettete ihre Verse auf kühle Bossa-Nova-Rhythmen: „Der Mond hatte frei/ Kein Stern war dabei/ Dein Blick war Lasso ohne Seil.“

1983 kündigte der Dirigent verärgert über „ständige Auseinandersetzungen mit Bürokraten“, seinen Vertrag mit der Bigband der Bundeswehr und gründete eine zivile Gala-Bigband, mit der er Ray Charles und Harald Juhnke begleitete. Sein Credo lautete, frei nach Nietzsche: „Was ist ein Leben ohne Musik? Ein Irrtum!“ Günter Noris ist, wie jetzt bekannt wurde, am 27. November in Kerpen gestorben. Christian Schröder

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