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Allen

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Hitparade: Lily Allens universelle Botschaft

Der Refrain hat enormes Ohrwurmpotenzial. Lily Allen ist diese Woche auf Platz 67 mit "Fuck You".

Kraftausdrücke sollte man gelassen aussprechen. Nicht umsonst sind die im Alltag am häufigsten zitierten Worte Goethes jene, die er dem Götz von Berlichingen in den Mund legte. Auch Mozarts Kanons „Leck mich im Arsch“ (KV 382c) und „Leck mir den Arsch fein recht schön sauber“ (KV 382d) zeugen noch Jahrhunderte nach ihrem Entstehen von vollendeter Nonchalance. Aufregen kann sich jeder Idiot. Erst die Coolness verleiht einer Schmähung ihre volle Wucht. Diese zeitlose Erkenntnis hat Lily Allen beherzigt, als sie eine der bekanntesten und wirkungsvollsten Redewendungen der englischen Sprache aufgriff.

„Fuck You“ ist ein Stück für alle, die erst mal tief Luft holen wollen, bevor sie jemandem die Meinung geigen. In den knapp vier Minuten, die Allens Song dauert, kann man seinen Blutdruck normalisieren und sich außerdem an einigen gelungenen rhetorischen Figuren erfreuen. „Macht es dir Spaß, so langsam im Kopf zu sein?“, singt sie. Und: „Du willst sein wie dein Vater, um dessen Anerkennung du immer kämpfst, doch so wirst du sie nie bekommen.“ Der Refrain, „Fuck you very very much“ hat enormes Ohrwurmpotenzial. Führt er doch mit seiner Unbeschwertheit vor, wie man sich durch eine kreative Beleidigung erleichtert, statt den Groll weiter mit sich herumzuschleppen.

Dabei war der Song zunächst nicht als praktische Lebenshilfe gedacht. Adressat war die rechtsextreme British National Party (BNP), die in Großbritannien zunehmend populärer wird und im Juni erstmals ins Europaparlament einzog. Die Botschaft von „Fuck You“ jedoch ist universell, weil sie sich gegen jede Art von Plattköpfigkeit richtet. Der Song steht derzeit in 13 Ländern in den Charts. Für Lily Allen ist das auch eine kleine Rehabilitierung. Die 24-jährige Sängerin ist Teil der Frauenwelle aus Großbritannien, inklusive MySpace-Hype und Schlagzeilen infolge öffentlicher Trunkenheit. In ihrer Heimat wird sie bislang als „Mockney“ wahrgenommen, also als jemand, der sich das Cockney, den Sound der Arbeiterklasse anschminkt. Naheliegender Verdacht bei der Tochter eines TV-Komikers und einer Filmproduzentin. Doch auch von der upper middle class kann man lernen: Manchmal ist es schön, den Mittelfinger zu zeigen. Aber es ist noch schöner, wenn man dabei lächelt.


Ralph Geisenhanslüke

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