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© EMI

Interview: 2raumwohnung: ''Wir sehen besser aus als unsere Eltern''

Inga Humpe und Tommi Eckart von der Berliner Band 2raumwohnung sprachen mit dem Tagesspiegel über Hedonismus, Dreiecksbeziehungen und ihr neues Album "Lasso".

Frau Humpe, Herr Eckart, auf Ihrem neuen Album „Lasso“ singen Sie: „Wir werden sehen, wie der Boden bebt“ und feiern das Nachtleben. Sind Sie Hedonisten?



HUMPE: Ich finde, man muss sich nicht mit diesem einen Wort abfinden. Unsere Musik ist nicht nur hedonistisch. Wir bemühen uns darum, mehr zu spüren. Das ist der Sinn des Lebens: Mehr spüren.

ECKART: Was heißt Hedonismus? Es geht um Sinnlichkeit. Das schließt das Nachdenken nicht aus. Wir bewegen uns nicht an der Oberfläche. Vielleicht ist unsere Musik auch ein Gegenhalten, gegen das, was man als den normalen Gang der Dinge empfindet: Die Distanziertheit gegenüber Gefühlen. Wenn wir Musik machen, fühlen wir sehr intensiv.

Der Song „Body Is Boss“ handelt vom Körperkult, aber auch vom Älterwerden. Eine Zeile lautet: „Mein Panzer hat schon einen Riss.“

HUMPE: Ich kann mich gut in Leute hineinversetzen. Bei dem Lied stelle ich mir vor, ein homosexueller Mann Mitte dreißig zu sein, der auf die Tanzfläche geht. Und ich weiß, wie sich das anfühlt. Man fährt total auf seinen eigenen Körper ab. Ich kenne diese Momente. Aber ich weiß auch, wie es ist wenn man sich nicht wohl fühlt, wenn man denkt: Oh Gott, das ist jetzt alles nicht so schön. Ich bin sehr kritisch mit meinem Körper und nie zufrieden, nie schön genug.

Dabei hat der „Spiegel“ gerade Ihre Schönheit gelobt: „Hier singt eine Frau Anfang fünfzig, im Körper einer Frau Ende dreißig, mit der Stimme einer Frau Anfang zwanzig.“ Freuen Sie sich über solche Komplimente?

HUMPE: Natürlich freue ich mich. Aber ich habe viele Freundinnen in meinem Alter, die sehen auch gut aus. Ich glaube, das ist ein allgemeiner Prozess: Das äußere Altern findet viel später statt. Wir sehen nun mal besser aus als unsere Eltern oder Tanten. Das hat viel mit Klamotten zu tun und mit Zahnarzt.

Sie wollten eigentlich Weltstars werden. Weltberühmt sind Sie aber nur in Deutschland. Frustriert das?

HUMPE: Ich war mal unheimlich frustriert. Das war Mitte der achtziger Jahre, als Madonna gerade so richtig loslegte. Damals habe ich gemerkt, dass ich das nicht mehr schaffe. Mein Ego war gekränkt. Heute empfinde ich anders. Ich lebe den Traum, den ich schon als Teenager hatte: Ich wollte immer nach Berlin und es zu etwas bringen.

ECKART: In unserem Alter ist es viel schwieriger, nicht frustriert zu sein, weil einfach auch viele Dinge nicht geklappt haben. Als junger Mensch kann man sein Leben ja noch gestalten. Es ist gar nicht so einfach, ältere Musiker zu finden, die nicht frustriert sind.

Sie sind ein Paar, Sie leben zusammen, Sie arbeiten zusammen. Wie funktioniert das?

HUMPE: Das ist doch gar nichts Außergewöhnliches. Es gibt Ärztepaare, die haben gemeinsam eine Praxis oder Bauernfamilien, die arbeiten auch zusammen. Das hat viele Vorteile, wir inspirieren uns gegenseitig. Ideen entstehen doch gerade durch diesen Austausch.

ECKART: Musik ist sowieso eine Abenteuerreise. Alles, was wir erleben, ist zu zweit schöner, oder nicht?

Frau Humpe, der „Bild am Sonntag“ haben sie kürzlich gestanden, dass Sie noch nie eine monogame Beziehung hatten.

HUMPE: Richtig. Das heißt aber nicht, dass ich ständig Liebhaber habe. Und nicht, dass nur ich nicht monogam lebe.

„Nach dem Spiel ist vor dem nächsten, bis einer von uns nicht mehr kann, Verletzungsstand ist jetzt am höchsten, ich schau mir kein Spiel mehr an“, heißt es in einem Ihrer neuen Liebessongs.

HUMPE: Klar, da beschreibe ich den Zustand einer Dreiecksbeziehung. Es ist ja so: Wenn man keine Zweierbeziehung führen kann oder will und drei Menschen in einer Liebesbeziehung sind, dann sollen alle drei glücklich sein. Das ist unheimlich schwierig, da braucht es drei hoch entwickelte Menschen.

Fühlen Sie sich lebendiger, wenn Sie Extreme leben?

HUMPE: Das würde ich so nicht sagen. Aber es gibt Leute, die können neben einem Fluss stehen und den anschauen und dabei unheimlich viel erfahren. Bei mir geht das nicht. Ich muss rein springen, ich muss da durch. In solchen Momenten habe ich keine Angst vor Schmerz.

ECKART: Ich bin da anders.

HUMPE: Du würdest dir den Fluss vom Ufer aus ansehen?

ECKART: Eher als du. Ich sehe schon manchmal, dass du extreme Dinge machen musst. Manche Dinge stellt man sich vor, manche will man auch ausprobieren. Es ist eben so: Man hört auch als Erwachsener nicht auf, aus Erfahrung zu lernen.

Das Gespräch führte Nicola Abé.

Inga Humpe, 53, und Tommi Eckart, 45, machen seit dem Jahr 2000 unter dem Namen 2raumwohnung Musik. Ihr Song „Wir trafen uns in einem Garten“, für einen Werbespot geschrieben, wurde zum Überraschungshit. Am Freitag ist Lasso erschienen, das fünfte Studioalbum des Berliner Duos.

Humpe wurde in den achtziger Jahren mit den Neonbabies und DÖF bekannt. Eckart spielte damals in Punkbands und arbeitete später mit Andreas Dorau.

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