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Kanye West - Schaut nicht mit Ärger zurück

© Universal

Kanye West – My beautiful dark twisted fantasy: HipPop and don’t stop!

Die beiden wichtigsten Black Music Alben des Jahres erscheinen kurz vor Silvester auch auf Vinyl. Beide beziehen sich unverblümt auf die weiße Popmusik zwischen 1971 und 1985. Da muss dann statt James Brown schon mal King Crimson als Referenz herhalten.

Hat man wie der Rezensent die 30 schon länger hinter sich gelassen, stehen die Chancen nicht schlecht, dass man von den ersten Takten von Kanye Wests neuer Platte schwer verwirrt wird. „Could we get much higher?“ schallt es einem mit quakender Stimme entgegen und sofort steht die Frage im Raum: Von wem war bloß noch mal? Yes? Alan Parson? Nein, Mike Oldfield. Oh, mein Gott, da muss Herr West wirklich ganz schön high gewesen sein.

Der Reigen setzt sich fröhlich fort. King Crimson werden gesampelt, Manfred Mann, Black Sabbath und Tony Joe White. Fehlt wie im Track „All of the lights“ das entsprechende Soundhäppchen aus der Konserve, produziert West die passende Atmosphäre einfach selbst. Soviel 70er war selten und soviel Bezug auf den einst verschrieenen Altherrenrock aus des großen Bruders Plattensammlung auch nicht. Mit souveräner Geste wischt Kanye West alle Bedenken zur Seite und bringt zusammen, was eigentlich nicht zusammen gehört. Aus My beautiful dark twisted sister macht er so ein Monster, das seine Kraft aus einer verwirrenden Anzahl von musikgeschichtlichen Bezügen und relativ bodenständigen Raps bezieht.

In die gleiche Kerbe schlagen auf Nothing auch N.E.R.D, nur ist ihr Werkzeug ein völlig anderes. Statt auf Rap setzen Pharrell Williams, Chad Hugo und Shae Haley auf unverschämt innovativ produzierten Pop mit überwiegend gesungenen Melodien. Mit Kanye West verbindet sie allerdings ein starkes Interesse an den mittleren 70ern. Assoziationen werden hier nicht durch Samples erzeugt, sondern durch die Arrangements und Melodieführung der durchweg überzeugenden und mitreißenden Stücke. Man mag an ELO, die Wings, Curtis Mayfield denken, am Ende steht die Erkenntnis, dass N.E.R.D ihren eigenen Weg gehen und der führt sie immer mehr in Richtung des perfekten Popwerks. Die Meisterschaft, die eine Platte wie Thriller einst ausgemachte, ist nicht mehr weit entfernt. Gerrit Bartels hat die Größe dieser Platte im Tagesspiegel bereits treffend gewürdigt.
Für Vinylkäufer dürfte noch interessant sein, dass aus der gerade mal 35 Minuten kurzen CD ein Doppelalbum mit vier Bonustracks geworden ist. Leider erreichen die vier Dreingaben nicht ganz das hohe Niveau der restlichen Tracks. Interessant sind sie aber allemal und machen den Kauf dieses HipPop-Meilensteins auf schwarzer Plaste zusätzlich schmackhaft. Silvester steht vor der Tür und N.E.R.D sollten auf keiner Party fehlen.

Martin Väterlein

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