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© EMI

Kings Of Convenience: Zärtlichkeit braucht Zeit

„Für mich ist es jedes Mal ein Wunder, dass wir ein Album fertig kriegen“, sagt Eirik Bøe. Nach fünf Jahren haben es die Kings Of Convenience doch geschafft: „Declaration of Dependence“.

Es muss eine Entscheidung getroffen werden, an der mexikanischen Pazifikküste. Zwei Norweger sitzen dort am Strand vor einem Ferienhaus, nehmen gelegentlich die Gitarre zur Hand oder spielen Schach. Man trifft sich erstmals seit langer Zeit. Ein Konzert in Mexiko soll vorbereitet werden. Der eine lebt in Bergen, Norwegen, der andere in Berlin, Deutschland. Songideen per E-Mail schicken, das wollen die altmodischen Songwriter nicht, selbst wenn sie noch nicht mal Mitte 30 sind.

Schlechte Karten also für Eirik Bøe, Erlend Øye und das dritte Album ihres Zwei-Mann-Akustik-Pop-Projekts Kings Of Convenience. Dass „Declaration of Dependence“ nach fünf Jahren nun doch fertig geworden ist, hat vor allem damit zu tun, dass Øye schließlich nachgab, Berlin 2007 den Rücken kehrte und wieder nach Bergen zurückzog.

Als ob die beiden ein Liebespaar wären

„Ich stelle mir gerne vor, dass er es wegen mir getan hat“, sagt Bandkollege Bøe. „Einer von uns musste umziehen, sonst wäre es nicht gegangen.“ Wenn Bøe über seinen Kollegen spricht, klingt es, als ob die beiden ein Liebespaar wären, unter ihrer Fernbeziehung gelitten und sich nun endlich wiedergefunden hätten. „Musik ist für uns das, was Liebe in der romantischen Beziehung ist“, sagt er, und verweist auf die vielen Meinungsverschiedenheiten und Streitereien, die die beiden jedes Mal ausfechten Die Polarität zweier kreativer Geister ist ein großes Thema der Pophistorie, das die Kings Of Convenience nun auf kleiner Ebene, ganz ohne Getöse noch einmal neu erzählen. Das Rezept: Einer schreibt einen Song, der andere hilft bei der Fertigstellung. Nur bei der Umsetzung hakt es dann. „Für mich ist es jedes Mal ein Wunder“, sagt Eirik Bøe, „dass wir ein Album fertig kriegen, weil wir uns dann tatsächlich mal auf etwas geeinigt haben.“

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Bøe, ein ausgebildeter Psychologe, hat sich mit seiner Freundin und dem gemeinsamen Kind in Bergen häuslich niedergelassen. Erlend Øye, der rothaarige Tausendsassa mit Nerdbrille, schlug sich unterdessen in Berlin als DJ und mit hochgelobten Projekten wie The Whitest Boy Alive die Nächte um die Ohren und sucht das abenteuerlustige, rastlose Leben. „Unsere Beziehung ist sehr herausfordernd, wir befinden uns in einer andauernden Konkurrenzsituation“, sagt Eirik Bøe.

Die Songs klingen melancholisch und schwebend, über Zwietracht erhaben

Die Anstrengung hört man dem Ergebnis nicht nur nicht an. Es ist der eigenwillige Zauber von „Declaration of Dependence“, dass die Songs melancholisch und schwebend klingen, über Zwietracht erhaben. Zwei Akustikgitarren verweben sich spielerisch miteinander, gezupfte Melodien werden mit rhythmisch geschlagenen Akkorden unterlegt und die Arrangements sind dabei abwechslungsreich genug, um nicht nur gediegen zu sein. Dazu der Gesang. Seit das Duo 2001 mit dem programmatisch betitelten Debütalbum „Quiet is the New Loud“ seine Vorliebe für Titel mit Manifestcharakter offenbarte, gelten sie als Erben von Simon & Garfunkel.

Minimalismus der Mittel mit maximaler emotionaler Wirkung prägt auch „Declaration of Dependence“, das wieder mit der Paradoxie spielt, das Große mit ganz kleinen Zutaten erreichen zu wollen. Paradox auch, dass es das Stück „Riot On An Empty Street“, eigentlich Titelsong der letzten, 2004 erschienenen Platte, erst mit einem halben Jahrzehnt Verspätung ins Presswerk schafft.

Sie besingen die Ruhe, die Langsamkeit

Die Kings Of Convenience bleiben die großen Romantiker der Popwelt. Sie sind die Antithese zu all den Bands, die mit schrillem Getöse auf sich aufmerksam machen. Ihre Musik ist der Stille viel näher als dem Schall. Sie besingen die Ruhe, die Langsamkeit und nun eben die Abhängigkeit voneinander. „Wir leben in einer Kultur, die Freiheit und Unabhängigkeit sehr hoch schätzt“, sagt Bøe. „Ich glaube aber, dass Menschen viel eher jemanden brauchen, der von ihnen abhängig ist, oder von dem sie abhängig sind. Das ist ein noch stärkerer Wert als Unabhängigkeit.“ Mit über 30 wolle er sein Leben eher mit Leuten teilen, die ihm wichtig seien. „Und Erlend gehört zu diesen Menschen.“

Das sind nicht die Worte, die die Rivalen in Popbands wie den Beatles, Beach Boys oder den jüngst zerbrochenen Oasis gefunden haben, schon gar nicht füreinander. Die Kings Of Convenience funktionieren anders, ihre Musik erzählt davon, dass Brüche und Verletzungen in der Musik gut aufgehoben sind.

- Kings Of Convenience, „Declaration of Dependence“ ist bei EMI erschienen. Am 8. Oktober spielt die Band im Berliner Huxley’s (ausverkauft).

Michael Luger

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