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Lang Lang

© ddp

Klassik: Über den Wolken

Der chinesische Pianist Lang Lang zaubert in der Waldbühne Stimmung.

Lang Lang in der Waldbühne, das passt. Wenn der chinesische Starpianist die Schlichtheit des Adagios von Beethovens Es-Dur-Klavierkonzert zu beschwören versucht, während im gleichen Augenblick der Abendstern aufgeht, dann zaubert er mit jenem sich zum Zeitlupengesang aufschwingenden Seufzer genau jene Atmosphäre herbei, wegen derer alle Welt in die Waldbühne strömt. Pianississimo! Die Klarinetten schicken Naturlaute in den Abendhimmel, und andächtig schweigen die Vögel.

Das passte bereits, als der – noch von Vogelgesang erfüllte – Himmel nach Beethovens Dritter Leonoren-Ouvertüre plötzlich aufklarte, kaum dass Lang Lang sich an den Flügel zu Daniel Barenboims Staatskapelle setzte. Sein Beethoven ist ein freundlicher Zeitgenosse, das C-Dur-Klavierkonzert mag vom kindlichen Gemüt eines Heißsporns künden, aber dunkle Wolken ziehen nicht auf. Der 24-Jährige entfesselt keine Elemente, er will lieber staunen, auch wenn sie im Rahmen seiner Beethoven-Marathon-Tour kaum glaubhaft ist: die Unschuld, wegen der die globalisierte Klassikgemeinde den Wunderknaben so liebt. In der Waldbühne ist die Unschuld Kult. Warum sonst pilgern 15 000 Besucher mit Picknickkörben, Regencapes im Leopardenlook und Wein in Plastikflaschen hierher? Wegen der Wahrheit hinter der Pose. Wegen der Lust, die Innigkeit will.

Also wird es mucksmäuschenstill, wenn Lang Lang sein Beethoven-Bilderbuch auf- und zuklappt und mal auf den heroischen, den lieblichen, den martialischen oder den romantischen Klassiker zeigt. Erst als der Wettergott das hingetröpfelte Largo des C-Dur-Konzerts kongenial um einen Minutenschauer ergänzt, um im Rondo-Finale nochmals kräftig nachzulegen, wird es unruhig im Waldbühnen-Rund. Schirme auf, Schirme zu, das klappert und klemmt und formt sich zum fröhlich-bunten Panorama, während Lang Lang zur Kadenz ausholt, einer Kaskade von Trillern, Tastensprints und Virtuosenfloskeln, die nach Dramatik giert und sich doch im Ornament verliert. Ihr wollt den Meisterpianisten, wollt Tiefe, wollt Abgründiges?, scheint Lang Lang zu fragen. Aber ich will doch nur spielen, bedeutet er dem Publikum, ich sitze hier und kann nicht anders.

Wenn es etwas gibt, das einen an diesem Tourneeabschlussabend bewegt – trotz der miserablen Klangqualität, mit der die Lautsprecher die Staatskapelle ins Zeitalter der Schellack-Platte zurückbeamen –, dann diese Ahnung von einer Zwangsjacke. Lang Lang trägt sie, als sei’s ein Clownskostüm. Eben davon erzählt das Es-Dur-Konzert nach der Pause: Wie die Orchester-Gemeinschaft dem Alleingang des Solisten den Garaus macht, sich unwirsch alles Dialogische verbittet. Aber Daniel Barenboim ist zu sehr Lang Langs Freund, als dass er den bitteren Kontrast betonen möchte. Mittlerweile steckt Melancholie im berühmten Himmelwärts-Kulleraugenblick des Pianisten.

Wegen der Lust, die Ewigkeit will, gibt es kein Ende. Barenboim und Lang Lang spielen – man kennt das schon – vierhändig Zugaben, Lang Lang freut sich auf Deutsch über Berlin, die Berliner und den Maestro. Eine geht noch, ein chinesisches Liedchen, „Happy Holiday“ heißt es. Und man wünscht sie Lang Lang von Herzen: schöne Ferien nach diesem so tapfer absolvierten Tournee-Marathon.

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