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Bob Dylan.

© dapd

Klassiker: Bob Dylan – jetzt auch wieder in Mono

Als Bob Dylan seine ersten Platten aufnahm, vor bald fünfzig Jahren, war Mono der Klang der Welt, die Stereofonie noch in Entwicklung – und Dylan benutzte den Mono-Sound wie eine Waffe.

Als John Mellencamp 2009 mit Willie Nelson und Bob Dylan auf Tournee ging, leistete er sich eine nostalgische Wallfahrt. Sie galt allerdings nicht den beiden Giganten des Nuschelrock, sondern führte ihn weit zurück ins Neolithikum, in die Jungsteinzeit des Pop. Der Sänger und Songschreiber, Jahrgang 1951, besorgte sich ein einspuriges Tonbandgerät und nahm an historischen Orten wie den Sun Studios, wo Elvis’ Wiege stand, oder einem Hotel in San Antonio, wo Robert Johnson in den Dreißigern sich die Seele des Blues aus dem Leib spielte, ein Album auf: „No Better Than This“ (Decca). Sehr relaxed und getränkt vom Heimweh nach dem Westen, der vielleicht schon immer eine mythische Luftspiegelung war. T Bone Burnette hat das Werk produziert, das vor ein paar Monaten erschien, wenig Aufsehen erregte, sich aber nach zwei- bis dreimaligem Hören häuslich im Ohr eingerichtet hat. Mono-Musik ohne Konservierungsstoffe und Geschmacksverstärker, erzeugt auf historischen Instrumenten. Dieser Bio-Whisky des 21. Jahrhunderts schmeichelt den Sinnen.

Als Bob Dylan seine ersten Platten aufnahm, vor bald fünfzig Jahren, war das etwas anders. Mono war der Klang der Welt, die Stereofonie noch in Entwicklung – und Dylan benutzte den Mono-Sound wie eine Waffe. Als Bootleg Series No. 9 wurden jetzt die „Witmark Demos“ (Sony Music) aus dem Keller geholt, Dylans akustische Visitenkarten für seinen Musikverlag aus den Jahren 1962/64. Die Blues-Tradition, aus der er sich bediente – auch für „Blowin’ in the Wind“–, macht sich hier lauthals bemerkbar. Der Künstler ist aus dem Ei geschlüpft, aber man hört noch, wie seine Schritte die Schalen zermahlen. Wie Unsicherheit umschlägt in Angriffslust, wie etliche der bald schon legendären Songs im Moment ihrer Geburt laufen, springen, sprechen können.

Kaum ein Künstler ist derart vollständig archiviert und katalogisiert wie Bob Dylan. Was kann noch kommen? Mit den „Witmark Demos“ sind in einer Kassette die „Original Mono Recordings“ veröffentlicht worden; neun CDs, bis „Blonde on Blonde“ und „John Wesley Harding“. Hat man natürlich alles schon, entweder auf Vinyl oder sonst wie, aber nicht so fein säuberlich gepackt und nicht in Mono. Es mag ein Zeichen von Dekadenz oder Einfallslosigkeit sein, wenn man sich auf solche Altertümer stürzt, als wären es Offenbarungen. Es ist da aber auch etwas Wahres dran und drin: Die kleinen Mono-Scheiben klingen so, wie man vielleicht Dylan gehört hätte, wäre man damals schon bewusst dabei gewesen, beim Urknall. Der Mono-Dylan macht den frischesten Eindruck, scharf, klar konturiert und ungeheuer jung. Und ungeheuer alt zugleich, so alt und klug und maskiert, wie nur Jugend sein kann. Alt-jung wie ein Schwarz-Weiß-Film von Godard, „Außer Atem“ zum Beispiel. Aber damals war auch die Farbigkeit eine andere.

Der Mono-Dylan tritt auf als befreiter Klassiker, wie Goethe in der schönen, handlichen gebundenen Ausgabe der Reclam Bibliothek mit den ewigen „Leiden des jungen Werthers“.Rüdiger Schaper

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