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Archivfoto: Natalie Merchant 2002 bei Rock am Ring. Jetzt ist sie wieder auf Tour und war am Samstag im Berliner Admiralspalast.

© dpa

Konzerkritik: Natalie Merchant im Admiralspalast

Die amerikanische Singer/Songwriterin in dunklem Kostüm und weißer Bluse ist irritiert von der Raumakustik im Admiralspalast. Sieben Jahre hatte Natalie Merchant pausiert. Nun tourt sie mit ihrem neuen Album - und überzeugt.

Als sie zum ersten Mal in Berlin war, erzählt Natalie Merchant, sei sie mit ihrer damaligen Band 10.000 Maniacs noch in einem Punk-Club aufgetreten, vor einem Haufen besoffen krakeelender Typen. Das war in den 80ern, lange her, heute ist es anders: gediegene Atmosphäre und gesetztes Publikum im bestuhlten, ausverkauften Studio des Admiralspalasts.

Die amerikanische Singer/Songwriterin in dunklem Kostüm und weißer Bluse ist irritiert von der Raumakustik, vom verzerrten Sound der Akustik-Gitarre ihres Begleiters Eric Della Penna: dafür hätten sie vorher zwei Stunden Soundcheck gemacht. Sie spielen eine Strophe "Oh Susannah" zum Test, geben Anweisungen an den Techniker, die Sängerin geht noch einmal von der Bühne, kommt wieder, lässt sich noch einmal richtig bejubeln. "Good evening!"

Sieben Jahre hatte Natalie Merchant pausiert, um sich ihrer 2003 geborenen Tochter zu widmen, keine Platten mehr veröffentlicht, keine Konzerte mehr gegeben. Jetzt präsentiert sie während einer ausgiebigen Tournee die Songs vom gerade erschienen, neuen Album "Leave Your Sleep", für das sie eine Auswahl von Gedichten vertont hat, von bekannten und vergessenen englischen und amerikanischen Schriftstellern zum Thema Kinder und Kindheit aus den vergangenen zwei Jahrhunderten.

Und dann noch eine Dreiviertelstunde Zugaben

Im Konzert sind die üppigen Arrangements der Platte mit unzähligen Musikern, zahlreichen Instrumenten und Orchestrierungen reduziert auf drei Begleiter: Della Penna mit seiner kleinen schwarzen Aria Parlour-Gitarre, Gabriel Gordon mit einer Taylor Akustik-Gitarre und eine Cellistin. Akustische Sparsamkeit, die durch ihre Intimität einen besonderen Reiz entfaltet und Merchants samtiger Altstimme einen fast privaten Ausdruck verschafft.

Die Musik wandert zwischen melancholischem Folk, munteren Countrysongs, Ragtime, Jazz und Blues-Anklängen. Zwischendrin erzählt Merchant kleine Anekdoten über die Autoren der vertonten Gedichte und deren Bedeutung und Inhalt, illustriert das Ganze mit Fotos auf der Bühnenrückwand. Robert Graves, Natalia Crane, Edward Lear, Charles Causley, e.e. cummings, R.L. Stevenson. Dann lacht sie: ach, da habe wohl mancher geglaubt, er gehe in ein Pop-Konzert, sei aber stattdessen in einem Vortrag gelandet. Gelächter. 

Musikalische Höhepunkte sind die anrührenden Vertonungen der Gedichte "Crying, My Little One" von Christina Rossetti und Gerard Manley Hopkins' "Spring And Fall", über den Versuch, einem Kind den Tod zu erklären. Gefolgt von einem fröhlichen Walzer, zu dem Merchant ausgelassen singend durchs Auditorium läuft. Großer Jubel für ein berauschendes Konzert, und dann noch eine Dreiviertelstunde Zugaben: jede Menge Songs aus älteren Zeiten. Brillant.

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