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Grönemeyer

© Imago

Konzert: Royal Herbert Hall

In London begeistert Herbert Grönemeyer 5000 meist deutsche Fans mit Songs wie „Airplanes in my stomach“. Zwischendurch erklärt er den Zuschauern, wie die Deutschen so ticken.

Von Markus Hesselmann

Der Superstar kann es kaum fassen. Immer wieder schaut Herbert Grönemeyer links und rechts die steilen Ränge der Royal Albert Hall hinauf und schüttelt ungläubig den Kopf. So viele Menschen, so fern der Heimat, wollen mich sehen, scheint er zu denken. Rund 5000 Zuschauer sind am Donnerstagabend zu Grönemeyers erstem großen Auftritt in seiner Wahlheimat London gekommen. Für einen Abend hat die deutsche Gemeinde die 1871 von Queen Victoria eröffnete Konzerthalle übernommen, die zu Ehren ihres zehn Jahre zuvor verstorbenen Gemahls Prinz Albert von Sachsen-Coburg und Gotha gebaut wurde.

Von britischer Höflichkeit angesteckt, halten sich die Deutschen in den verschlungenen Fluren des viktorianischen Gebäudes gegenseitig die Türen auf, sagen "sorry“ und "after you“. Auch Grönemeyer macht als Reminiszenz an die Stadt, in der er seit neun Jahren lebt, seine Ansagen auf Englisch – bis auf die vielen "irre“, "toll“ oder "unglaublich“, die ihm immer wieder entfahren. Er übersetzt Liedtitel ("Airplanes in my stomach“) und ändert die eine oder andere Textzeile ("Alcohol is your parachute“). Der Rest ist Ekstase – Tanz, Jubel, Applaus. Die goldroten Stühle der Royal Albert Hall stünden ungenutzt da, hätte nicht Grönemeyer auch Balladen im Programm. Doch einige Fans stehen auch bei den langsamen Stücken, jetzt reglos, der Aura des Sängers verfallen. Drei Stunden Grönemeyer – das sind drei Stunden alte und neue Hits, von "Bochum“ über "Mensch“ bis "Stück vom Himmel“. Nur "Männer“ will er partout nicht spielen, dafür nimmt er sogar ein paar Buhrufe in Kauf.

Im Saal sind nur wenige Briten

Echte Fans kennen jeden Vers seiner Lieder auswendig. Die wenigen Briten im Saal, meist Angehörige deutscher Fans, waren gewarnt: "The Germans like to sing along“, die Deutschen singen gern mit, hat Grönemeyer gleich zu Beginn erklärt. Und manchmal übernehmen sie sogar selbst die Programmgestaltung: Ob es dann aber gleich "O wie ist das schön“ sein muss, die urdeutscheste aller Fußball- und Schunkelhymnen?

Textsicherheit beweist auch ein prominenter Grönemeyer-Fan. Michael Ballack hat einen Platz in einer der ersten Reihen und singt besonders eindrucksvoll mit beim Steigerlied ("Glückauf, Glückauf“) und bei "Bochum“. Als Grönemeyer den Text lokal anpasst – "du machst mit dem Doppelpass bald den FC Chelsea nass, du und dein VfL“ – lächelt der Kapitän der deutschen Fußballnationalmannschaft milde – dass er nun auch an diesem Abend noch an die Probleme seines Londoner Fußballklubs erinnert werden musste ...

Michael Ballack gehört wie der Hauptdarsteller und wohl die meisten Zuschauer an diesem Abend zur rund 60.000 Menschen zählenden German community in London. Die deutsche Botschaft jedenfalls ist in Mannschaftsstärke dabei. Alle Altersklassen von Fans sind vertreten, von 16 bis 66. Jan Moritz ist 26, studiert in Hamburg Architektur und macht zurzeit ein Praktikum in der britischen Hauptstadt. "Ich habe alle Grönemeyer-Alben und bin schon lange Fan“, sagt er. "Aber ich wollte mir auch einmal diese Halle von innen anschauen.“ Die Begeisterung für das Kuppelgebäude am Hyde Park, das ein bisschen an eine Mozartkugel erinnert, teilt er mit Grönemeyer: "Wir waren kürzlich in der Semperoper in Dresden“, erzählt Grönemeyer aus der Heimat. "Aber das hier ist noch zwei Stufen darüber.“

Deutsch lernen mit Grönemeyer

Alexander Thomas, 53, gehört zu den wenigen englischsprachigen Zuschauern an diesem Abend. Er kommt aus New York, lebt in London und auf seinem T-Shirt steht "Berlin“. Seine Frau ist Deutsche und arbeitet bei der deutschen Botschaft in London. "Grönemeyer hilft mir beim Deutschlernen“, sagt Thomas, der als Schriftsteller und Schauspieler arbeitet und unter anderem schon bei den "Friends Of The Italian Opera“, dem englischsprachigen Theater in Berlin, aufgetreten ist. Grönemeyer gefällt ihm aber nicht nur aus didaktischen Gründen. "Die Musik ist auch gut“, sagt der Amerikaner. Am liebsten hört er allerdings Jazz. Diesem Geschmack kam vielleicht am ehesten der erste Teil des Konzerts entgegen. Grönemeyer und seine fußballteamstarke Begleitband beginnen unplugged, mit Blasinstrumenten, akustischen Gitarren, Streichern und Percussion. Erst nach und nach kamen die E-Gitarren auf die Bühne.

Nach dem Londoner Auftritt ging es weiter nach Amsterdam. Eine für Mitte September geplante Show in New York musste Grönemeyer verschieben, weil ein geplantes englischsprachiges Album nicht fertig wurde – "aufgrund der diesjährigen Termindichte des Künstlers“, wie es auf Grönemeyers Internetseite heißt. London ging fast ohne Englisch.

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