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Keren Ann

© Promo

Konzert: Seelentropfen

Transparenter Gesang, gefühlvolle Zweitstimme, luftige Songstrukturen: Keren Ann im Berliner Columbia Club

Ist Wales gegen Deutschland ein richtiger Fußballkrimi? Oder warum ist der Columbia Club nur halb gefüllt bei Keren Anns Auftritt? Die in Israel geborene Songwriterin lässt sich davon nicht einschüchtern. Mit zwei Begleitern, dem Gitarristen Thomas Semence und dem Schlagzeuger Mathias Fish, bricht sie die subtilen, aufwendigen Arrangements ihrer letzten Platten aufs Trioformat herunter – ein Wagnis, das mit außergewöhnlichen Versionen belohnt wird. So bekommt das elegische „Lay Your Head Down“ hier fast Cajun-haften Drive. Keren Ann pickt mit zarten Fingern Akkorde auf ihrer riesigen Gretsch-Gitarre, Semence spielt virtuos verhallte Solotexturen. Auf subtil gestreichelte Toms und Becken, sanft gezupfte Basstropfen und wenige Licks auf der Westerngitarre reduziert, gewinnt „In Your Back“ hinreißende Intimität.

Keren Anns transparenter Gesang, oft von Semence’ gefühlvoller Zweitstimme begleitet, füllt die luftigen Songstrukturen. Selbst leiseste Passagen werden vom Publikum konzentriert belauscht, rustikale Rockausbrüche wie „Sailor & Widow“ oder das von grandiosen Twäng-Gitarrenhieben zersäbelte „It Ain’t No Crime“ bejubelt. Zum Metallica-Cover, das sie beim letzten Mal für ihr nächstes Berlin-Konzert versprochen hatte, lässt sich Keren Ann doch nicht hinreißen – stattdessen bringt sie souverän Patti Pages „Tennessee Waltz“ und „Big Yellow Taxi“ von Joni Mitchell. Nach 80 beglückenden Minuten noch ein Gänsehautmoment: Keren Ann lässt die Beleuchtung herunterfahren und singt ganz alleine Luiz Bonfás Bossa-nova-Klassiker „Mañha Da Carnaval“. Ein dunkler Lichtstrahl ins Innere der Seele.

Jörg W, er

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