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Brian Fallon

© Ryan Russell

Konzert: The Revival Tour im Postbahnhof

The Revival Tour? Das klingt nach alten Rockstars, die es noch einmal versuchen. Reunion von Led Zeppelin? Cream? The Who? Pink Floyd? Aber nein, auf der Bühne des ausverkauften Postbahnhofs versammeln sich vergleichsweise junge Typen, von relativ jungen Bands.

In der zweiten Reihe streicht Joe Ginsberg vor auf dem Kontrabass und Jon Gaunt streicht Violine drüber, dass es klassisch folkig klingt, schottisch dudelsackig. Aber schon wird es zackig in der Frontlinie mit schwerem Geschraddel von vier parallelen Akustikgitarren, und dem Gesang von vier aufgereihten Typen mit Mützen, Kappen, Tätowierungen. Fröhlich grölig. Das hibbelig fiddelige Bluegrass-Folk-Plätschern kippt sturzbachartig in punkrockiges Wildwasser. Es gischtet, zischt und rauscht - brüllend laut. Auch ohne Schlagzeug knattert es rattatattatatt in rasendem Geachtel.

Was The Revival Tour hier revitalisiert ist kein Veterannenabend einer Veteranenband, sondern eher ein Konzept. Die Wiederbelebung der Idee von der großen Kameraderie des kollektiven Musikmachens unter Freunden und Familienmitgliedern. Der Freude, gemeinsam etwas zum Schwingen zu bringen, wie zu Zeiten der Ursprünge der Folk-Musik.

Es war die Idee von Chuck Ragan, dem Sänger und Gitarristen der Neo-Punk-Truppe Hot Water Music aus Florida, mit befreundeten Musikern aus anderen elektrischen Bands und mit ausschließlich akustischen Instrumenten auf Tour zu gehen. Und gemeinsam Spaß zu haben an den Songs und Darbietungen jedes einzelnen Mitstreiters, und sich nach Lust und Bedarf gegenseitig zu begleiten. 2008 reiste die erste Revival Tour durch die USA. In neuer Zusammensetzung tourt sie derzeit in Deutschland.

Nach dem rasanten gemeinsamen Intro-Set überlassen sich die vier Akteure gegenseitig revueartig ihren jeweils eigenen Sets mit eigenen Songs. Wobei zwischendurch immer wieder einer oder mehrere der anderen dazuspringen. Einer eine Gitarre dazuschrammelt, Mandola dazutut oder Mundharmonika daztutet. Oder mit Gesangsharmonien aushilft.

Dave Hause vom fetzigen Punk-Trio The Loved Ones aus Philadelphia lässt an Billy Braggs Idee der "One Man Clash" denken – so singt er dann auch Joe Strummers "Coma Girl". Ein Song wie "Jane" wiederum erinnert in seiner kratzig hymnischen Mitsing- und Mitklatschigkeit an eine Punk-Version von Bryan Adams. Mit elektrisierter Hochspannungsstimme krächzt Hause: "Tonight's the night" – "Alright! Alright!" schallt es enthusiastisch zurück aus dem ausverkauften Saal.

Auch Chuck Ragans Akustikgitarre und Stimme stehen unter Starkstrom, sowie unter starkem Einfluss von Bruce Springsteen. Da ist ein hübscher Country-Walzer, eine Buddy-Holly-Gitarre, und die Fiddle fiddelt ein keltisches Tanzliedchen dazwischen. Elvis mit "I Can't Help Falling In Love" blitzt auf in einem Zitat, ein Überraschungsgastmusiker kommt dazu, und es klingt ein bisschen wie Die Toten Hosen auf amerikanisch. Chucks Halsschlagadern schwellen hervor, und nach inzwischen über zwanzig Songs hat man fast schon genug vom rastlosen Folk-Punk-Powern. Doch das war noch nicht mal die Hälfte des Abendprogramms.

Entsprechend schläfrig ist man beim Set von Dan Andriano, der sonst beim Alkaline Trio aus Chicago den Bass spielt. Das leicht näselig wimmerige Timbre seiner Stimme lässt kurz an Morrissey denken, und zehn lange Songs geben eine Ahnung von Endlosigkeit.

Fliegender Wechsel zu Brian Fallon. Der Sänger der melodischen Punk-Rock-Band The Gaslight Anthem aus dem Bruce-Springsteen-Territorium New Jersey gibt den Komödianten, witzelt über Bruce, den "Boss", imitiert sehr lustig dessen Sprechstimme, um gleich nachzulegen mit der Singstimme, die eigentlich der von Bruce noch ähnlicher ist. Doch das ist eher unbeabsichtigt und nicht mehr als Parodie gedacht. Auch durch manche Textzeile zieht ein starker Drall zum "Boss": "Sally said meet me by the river's edge" oder: "Maria came from Nashville with her suitcase in her hand…" in "High Lonesome". Oder "Blue Jeans And White T-Shirts". Mit "Ladykiller" zu Fingerpicking - einer angenehmen Abwechslung zum sonstigen punkigen Achtel-Geschredder - sind das vielleicht die herausragenden Songs des Abends, die die mittelmässigen Interpretationen von Neil Youngs "Heart Of Gold" und "Rockin' In The Free World" dagegen blass und überflüssig erscheinen lassen.

Zum großen Finale stehen wieder alle Akteure gemeinsam auf der Bühne, singen "On The Bow" von Chuck Ragan in feiner A-Cappella-Version und legen noch etliche Songs nach, bis man nach weit über drei Stunden wirklich nicht mehr kann. Tosender Jubel.

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