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© dpa

Konzertkritik: A-ha: Tourschlusspanik

Das letzte Mal? Das norwegische Poptrio A-ha gibt ein wehmütiges Konzert in Berlin.

Auf der monumentalen Leinwand flitzen kleine Busse durch eine Metropole, wuseln kleine Gestalten in einem Flughafen umher. Davor haucht Morten Harket „Now I must wave goodbye“ ins Mikrofon, während der Keyboarder unterstützend winkt. Und der Dritte im Bunde, Gitarrist Pål Waaktaar-Savoy, steht sowieso etwas abseits, irgendwie verloren herum. Ein Hauch von Abschied, dabei ist das Konzert erst im Mittelteil angelangt.

Symbolisch aufgeladene Gesten und Worte geben A-ha in der O2-Arena im Dutzend von sich. Haben sie doch erst vor zwei Wochen überraschend angekündigt, am 4. Dezember 2010 in Oslo das letzte Mal gemeinsam auftreten zu wollen. Nach 25 Jahren „Take on me“ soll endgültig Schluss sein. Nach neun Alben, über 70 Millionen verkauften Platten und bald drei Dekaden geschriebener Popgeschichte. Die norwegischen Teenagerherzenbrecher waren in den Achtzigern ja schon eine Boygroup, bevor es den Begriff überhaupt gab.

Dann ist es jedoch plötzlich vorbei mit Sentimentalitäten. Sänger Harket holt ein Megafon hervor – eines, das sonst Bauleiter oder Polizisten benutzen – und tönt blechern, dass er noch gar nicht „Lebewohl“ sagen möchte, er außerdem den ganzen Trennungsschmerz satt habe. A-ha ballern „Manhattan Skyline“ durch die Boxen, die Hitsingle von 1986, in der die Band mit harten Riffs und schrillen Synthesizern auftrumpft. Der 50-jährige Harket rauft sich die Haare und quietscht seine verzweifelten Strophen in die Flüstertüte. Als müsse er dem jubelnden Publikum erklären, um was für ein Drama es hier überhaupt geht. Als müsse er seiner Stimme ein Sprachrohr leihen.

Wobei Letzteres stimmt: Denn der unangefochtene Wortführer der Band ist bei ihrem Berliner Auftritt nicht etwa Frontmann Harket. Sondern der, der in die Tasten greift. Magne Furuholmen treibt die Fans an, fällt vor ihnen auf die Knie, umschmeichelt sie mit Floskeln. Das „Thank you for inviting us to your home“ nimmt man ihm jedoch nicht richtig ab. Seine Sprüche verraten, dass die Trennung des Trios möglicherweise tiefer gehende Gründe hat, als nur Altersmüdigkeit. Ein Tuch unter dem Fuß, wischt Harket einen Wasserfleck vom Boden auf. „Morten will come to your house and clean the floor“, witzelt der Keyboarder prompt, und niemand lacht. Er trägt als Einziger das Hemd über der Hose und klobige Turnschuhe. Die anderen beiden wirken dagegen wie echte Gentlemen in ihren dunklen Jacketts und polierten Lederschuhen. Resigniert vielleicht, aber auch angenehm bescheiden, über den Dingen stehend. Sie wissen, dass ihre Musik seichter, angepasster geworden ist.

Da stört es wenig, wenn Harket die Oktaven nicht mehr so mühelos emporklimmt wie früher, das endlose „Staaay“ in „Summer moved on“ etwas tiefer ausfällt. Seine Stimme klingt trotzdem noch klar, rein, wie geölt. Und wenn funkelnder Sternenhimmel neben tiefblauem Ozean auf den Hintergrund projiziert werden, A-ha ihr melodramatisches „Stay on these roads“ wie eine donnernde Walze heranrollen lassen, muss man sich eigentlich dem Kitsch mit erhobenen Händen ergeben. Sachte „Hach …“ seufzen, mit den älteren Fans mitwiegen, die ihre Neonleuchtstäbe und Ferngläser gezückt, sich größtenteils längst von ihren Stühle erhoben haben. Vorsorglich hat man ihnen in der gesamten Mehrzweckhalle Sitzplätze bereitgestellt.

Spätestens bei den ersten Noten von „Foot of the Mountain“ hält es dort keinen mehr. Für die aktuelle Singleauskopplung des gleichnamigen, in Deutschland auf Platz 1 eingestiegenen Albums, springen auch die Letzten auf. Ganz nah ran dürfen sie noch mal für A-has Abschiedshymne, als sämtliche Absperrungen vor der Bühne fallen. Ihre norwegischen Fahnen schwenken, mitgrölen, drohen, sich wie die drei Pop-Könige am Fuß eines Berges einzunisten und nie zurückzukehren.

Gerüchten zufolge kommen A-ha auf ihrer Farewell Tour im Herbst 2010 allerdings noch einmal nach Berlin. Danach wollen sie sich Soloprojekten oder, Bono lässt grüßen, humanitär engagieren. Also doch kein endgültiges „adjø“ aus Skandinavien? Zumindest nicht in der O2-Arena. Die ewige Zugabe „Take on me“ betäubt knallend und tosend jede Nostalgie. Obwohl A-ha da immer und immer wieder flöten: „I’ll be gone/ in a day.“

Beifall und „Morten, Morten, Morten“-Liebesschwüre der weiblichen Fans verstummen jedenfalls nicht, als schließlich Waaktaar-Savoy zum Gruß die Gitarre und Harket den Arm in die Luft halten. Furuholmen ruft: „Hope to see you again.“

Annabelle Seubert

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