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Konzertkritik: Anne McCue im Berlin Guitars

Normalerweise tritt Anne McCue mit Band auf, denn eigentlich ist sie eine echte Rockerin. Solide, wurzelig, elektrisch. Wie auch auf ihren vier Soloalben zu hören. Ins ausverkaufte "Berlin Guitars" kam die australische Singer/Songwriterin mit Wohnsitz in Nashville, USA, allerdings alleine, ohne Begleitmusiker.

Etwas schüchtern wirkt ihre Begrüßung. Mit scheu zurückhaltender Stimme, in den hinteren Reihen kaum noch zu verstehen, erzählt sie etwas von einer Filmszene: John Ford, Schwarz-Weiß, ein Toter mit einer Kugel im Kopf. Anne hatte in jüngeren Jahren Filmwissenschaften studiert. Den ersten Song solle man sich als Filmszene vorstellen.

Die zierliche Lady mit den langen blonden Haaren schaut mit einer kleinen nach vorne auf die Nasenspitze gerutschten Brille, die ihr das Aussehen einer hübschen Lehrerin gibt, runter auf eine schwarze "Telecaster DeLuxe". Sie pickt eine schmutzige, elektrische Blues-Figur und singt "Ballad Of An Outlaw Woman": "I was born and bred / Kind of a mean child / Never caught the thread / My daddy was a man used to smile / As he counted the dead". Sie fischt in der Hosentasche herum, fördert ein Bottleneck zutage, steckt es auf den Finger, tritt mit dem Fuß auf ein "Overdrive"-Pedal für heftige Verzerrung und Lautstärke, und schabt metallisch kreischende Töne vom Griffbrett. "Crazy Beautiful Child". Per Fußschalter macht sie aus einem Gitarrenriff eine sich ständig wiederholende Klangschleife, auf die sie immer weitere hypnotisch schwirrende Sounds schichtet, über die sie eine heftig rockende Lead-Gitarre legt.

Zur Abwechslung folkig warme Klänge einer australischen Maton-Akustikgitarre. Eine feine Version von "Roxanne", dem alten Hit von Police, in einer hübschen Umdeutung mit lateinamerikanischen Jazzanklängen. Im Song "Hangman" über die mörderischen, nächtlichen Umtriebe des Ku-Klux-Klan kommt der Blues zurück - mit der ganzen Wucht einer Lap-Steel-Gitarre, gelooptem Grundrhythmus und verzerrt schreiendem Solo.

Immer wieder stimmt die außerordentliche Gitarristin ihre Instrumente um, die Akustikgitarre, die Elektrische, mit jeder Menge unterschiedlicher Open Tunings - ja, sagt sie scherzend, sie habe mehr davon drauf als Richard Thompson. Gelächter.

Langsam wärmt sich die scheue Musikerin an ihrem konzentriert zuhörenden Publikum, dass sie schließlich sogar Lust hat, einen Song zum ersten Mal öffentlich auf der Bühne auszuprobieren - eventuelle Fehler möge man ihr verzeihen: Led Zeppelins "Rain Song", inklusive Jimmy Pages interessanter Gitarrenstimmung D-G-C-G-C-D und entsprechend bizarren, modalen Tonfolgen. Fehlerfrei.

Tony Joe White ist ein weiteres Idol, dem sie ihre Ehre erweist mit einer rasanten Version seines Songs "As The Crow Flies". Und jede Menge eigene Songs von den verschiedenen Alben der letzten Jahre, und vom jüngesten, gerade erschienenen: "Broken Promise Land". Unter vollem Einsatz von Overdrive-, Looper-, Octaver- und Chorus-Effekten. Nur das Wah-Wah-Pedal bleibt den ganzen Abend unberührt.

Die große Lucinda Williams, mit der sie gelegentlich verglichen wird, und die auch auf McCues Alben als Harmonie-Stimme zu hören ist, nennt ihre australische Kollegin nicht nur "my new favorite artist", sondern auch "an amazing guitarist". Dem ist nichts hinzuzufügen.

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