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Konzertkritik: Bebel Gilberto: Nebelkrähen-Scat auf Designer-Barhocker

Im Admiralspalast erweist sich Bebel Gilberto als gratwandernde Sängerin der gebremsten Ekstase

Ob

Bebel Gilberto tatsächlich ein trojanisches Pferd der bürgerlichen Nostalgisierung rebellischer Ausdrucksformen der Popmusik ist, wie Andrian Kreye in der Süddeutschen Zeitung behauptet? Zumindest trägt sie an einem gewichtigen Erbe: Als Tochter von Bossa-Nova-Legende João Gilberto und der Sängerin Miúcha entstammt Bebel Gilberto dem brasilianischen Pop-Hochadel.

Im schütter gefüllten Admiralspalast fällt sie mit einer eigenwilligen Gesangsperformance auf, die den Hochglanzoberflächen der zwischen Bossa Nova, Cocktail Jazz und Blue Eyed Soul verorteten Songs raue Schraffuren verleiht. Absicht ist dabei nicht zu unterstellen: Dass die 43-Jährige in höheren Registern beängstigende Schräglagen offenbart, dürfte eher den Verschleißerscheinungen einer ausgedehnten Europatournee zuzuschreiben sein, deren letzte Station der Berliner Auftritt ist.

Wenn man sich damit abfindet, dass die Perfektion ihrer Studioalben nur im makellosen Zusammenspiel der vier Begleiter aufblitzt, hat die stimmliche Gratwanderung durchaus ihren Reiz. Wie sie sich beim Stevie-Wonder-Cover „The Real Thing“ zum Gegrunze des Bariton-Saxofons an einer Art Nebelkrähen-Scatgesang versucht oder während einer heiklen Gesangspassage im wurstpelleengen Kleid einen flutschigen Designer-Barhocker zu erklimmen versucht, beweist Mut zur Selbstparodie.

Spätestens, als sie zum Pochen der Bassdrum den Bossa-Klassiker „Bim Bom“ ihres Vaters intoniert, taucht man in den Gute-Laune-Taumel ein, den brasilianische Popmusik wie keine andere auf der Welt auszulösen vermag. Nach anderthalb Stunden entknotet Bebel Gilberto ihre hochgesteckte Löwenmähne und verabschiedet sich mit der schönen Ballade „Mais Feliz“. Als Sängerin der gebremsten Ekstase findet sie doch zu sich selbst.

Jörg W, er

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