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Konzertkritik: Dirtmusic & Tamikrest im C-Club

Langsam kam alles zusammen. Das Publikum im kleinen C-Club und die Musiker auf der Bühne, sowie eine bizarre Mischung aus unterschiedlichen Klängen und Persönlichkeiten.

Chris Eckmann, bekannt geworden mit den Walkabouts aus Seattle sowie dem Duo Chris & Carla und diversen Soloaktivitäten, schrabbelt auf einer Martin-Akustikgitarre und vermittelt einen Eindruck von aufgeräumter Solidität. Der Australier Hugo Race mit kleinen, schläfrig verquollenen Augen, einst bei Nick Caves Bad Seeds, später unterwegs mit seiner eigenen Band The True Spirit, dengelt auf einer elektrischen Gitarre ungebändigte Sounds, gezaust wie seine Haare, während der Amerikaner Chris Brokaw trocken auf einem Banjo plickert.

Wenn sie zu dritt in dieser Kombination zusammenspielen, nennen sie sich Dirtmusic. Gerade haben sie ihr zweites Album veröffentlicht, weitaus interessanter als der Vorgänger. "BKO" ist eine außergewöhnliche Platte, ein attraktives Experiment, etwas aufregend Neues.

Vor zweieinhalb Jahren lernten Dirtmusic im nordafrikanischen Mali während des "Festival Au Desert" die junge Tuareg-Band Tamikrest kennen. Sie spielten zusammen, improvisierten stundenlang, tagelang, trafen sich in einem Aufnahmestudio der Stadt Bamako, spielten dort weiter und drückten irgendwann die Aufnahmetaste, wobei schließlich das faszinierende Album "BKO" entstand.

Im Gegenzug produzierte Eckmann das nicht minder hörenswerte Debütalbum "Adagh" von Tamikrest - elektrischer Wüsten-Rock in der Gefolgschaft der älteren Tuareg-Rebellen-Band Tinariwen.

Nun kommt auch im Konzert alles wieder zusammen. Ein zwar nicht so zahlreiches, dafür umso interessierteres Publikum und Dirtmusic, anfangs mit einer Art Westcoast-Sound der späten 60er Jahre, mit Brokaw jetzt als Leadsänger mit Akustikgitarre. Zunächst klingen sie ein bisschen nach Byrds und Crosby, Stills und Nash, aber auch sehr unbekümmert entspannt, rau und fast ein bisschen amateurhaft - Musik zur simplen Freude. Und auf der Djembe trommelt ein verschleierter Tuareg.

Lässig singt Hugo Race einen Song und spielt auch mal Bass, Eckmann lässt seine Gretsch-Gitarre unterm E-Bow jaulen und immer mehr kommt zusammen. Jetzt auch mit Ousmane Ag Mossa, der aussieht wie ein junger Jimi Hendrix im bodenlangen weißen Tuareg-Gewand und mit einer elektrischen Danelectro-Gitarre. Da kommt noch ein verschleierter Bassist, gibt schöne tiefe Vorlagen, bildet mit einem Rhythmusgitarristen im indigoblauen Wüstenkleid eine feste zuverlässige Basis für all die bizarr schönen Mischklänge aus amerikanisch/europäischen Rocksounds und staubig, hitzig flirrenden Sahara-Sound-Landschaften. Eine aparte Tuareg-Frau singt Harmoniestimme und stößt wilde Triller aus mit Flatterzunge.

Der flirrende Wüstensound der Tuareg braucht nicht mehr als einen Akkord pro Song. Wenn erstmal ein Rhythmus da ist mit einem wunderbar verzwirbelten Metrum, und aus hypnotischer Monotonie euphorische Trance entsteht, die wohlig bedröhnt und zur Bewegung animiert. Klänge wie eine Droge ohne unangenehme Nebenwirkungen.

Wobei die einen englisch singen, die anderen in der Tuareg-Sprache Tamaschek. Aber dann immer wieder auch der Versuch der einen, Refrains der anderen in deren Sprache mitzusingen. Das klingt alles sehr roh, ungehobelt und schön. Vermutlich lässt sich bei dieser Liaison der unterschiedlichen Kulturen, Sprachen, Musiken nichts planen, nichts vorhersehen. Und so wirkt alles auch immer etwas improvisiert und aus dem Moment heraus. Da passt auch der alte Velvet-Underground-Song "All Tomorrows Parties" trefflich dazwischen.

Ousmane allerdings steht manchmal etwas verlegen da, wenn die Amerikaner am Gesang sind, bis er wieder einsetzen kann mit einem unorthodoxen Gitarrensolo, mit ungewöhnlicher Anschlagtechnik, mit einem langen, gebogenen Daumen und zarten schmalen Fingern. Während seine afrikanischen Mitstreiter offenbar großen Spaß haben, sich die gutaussehenden, jungen Typen schließlich unverschleiert anlachen, wirkt Ousmane etwas melancholisch, traurig, verloren, als stünde ihm das Heimweh ins Gesicht geschrieben, die Sehnsucht nach dem Vertrauten, nach der Wüste, Weite, Wärme. Und sicher ist diese hypnotisierende Musik, die all das in sich trägt, noch eindringlicher in der Sahara unter freiem Himmel, wo Tamikrest sonst ihre Verstärker aufbauen, an Elektroaggregate anschließen und ihre Freunde und Stammesgenossen erfreuen mit ihrer wunderlichen Mischung aus arabischer Melodik und westlichen Blues- und Rock-Elementen.

Am Schluss, wo sie noch mal mächtig loskrachen, mit Chris Brokaw am Schlagzeug, lächelt Ousmane doch wieder ins Publikum und staunt und freut sich über die ekstatische Begeisterung der neu gewonnenen Fans. "Merci" sagt er schüchtern, hebt die Arme und geht.

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