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Konzertkritik: Frag' nicht nach den traurigen Liedern

Melodien in Moll, knarzender Gesang und scheinbar improvisierte Überleitungen: Der Texaner Eric Taylor erzählt seine Songgeschichten im ''Berlin Guitars''.

Eric Taylor ist ein Bär von einem Mann. Rotes T-Shirt Übergröße XXL, weißer Pinselbart unterm Kinn, schwarzes Barett über der hohen Stirn, Akustikgitarre vor dem Bauch. So steht er im brechend vollen "Berlin Guitars" und knarzt mit tiefer Schotterstimme einen melancholisch düsteren Song. Mit dem fange er besonders gerne an, sagt er, und grinst durch die breite Zahnlücke: weil der so ... fröhlich sei. Er erzählt von seinem 1997 gestorbenen Freund, dem großen texanischen Singer-Songwriter Townes Van Zandt und dessen todtraurigen Liedern. Wenn den jemand gebeten habe, er solle doch mal was fröhliches singen, habe Townes amüsiert geantwortet: dies sind meine fröhlichen Songs, frag nicht nach den traurigen. Es sei ein großes Privileg, sagt Taylor, dass er immer noch Abend für Abend auf der Bühne stehen, und an seine toten Songwriter-Freunde erinnern könne, dass er sie immer bei sich habe: Townes, Dave Van Ronk und die vielen anderen. Und schon ist der wuchtige Mann aus Weimar, Texas, mitten drin in seinen umwerfenden Geschichten, den tragischen und witzigen, in Songs und "Spoken Word". Es ist diese hinreißende Mischung aus Melodien in Moll, knarzendem Gesang und den literarischen, scheinbar improvisierten Überleitungen, die Taylor in den letzten dreißig Jahren zur eigenen Kunstform entwickelt hat. Er singt über Frauen aus Texas mit Armen wie Klapperschlangen, über alte Männer, die jungen Mädchen an die Wäsche wollen, über Heroin in New York und von "Whorehouse Mirrors And Pawnshop Knives". Den Text über Spiegel in Bordellen und Messer aus der Pfandleihe habe er zusammengeschnitten aus seinen Telefonaten mit dem Beat-Poeten William Burroughs. Mit schweren Cowboystiefeln knallt er Rhythmus in den Bühnenboden, spielt eigenwilliges Fingerpicking mit offenen Akkorden, schnalzt metallisch rhythmische Noten aus der rechten Hand. Und wird unaufdringlich wirkungsvoll begleitet von Matthias Schneider, der Taylors Songgeschichten unterfüttert mit hypnotisch schwirrenden Klangflächen, die er lässig aus E-Gitarre oder Lapsteel zieht. Ein berauschender Abend.

H.P. Daniels

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