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Konzertkritik: Gefühl und Lärm: Jeff Beck im Tempodrom

Schlank und drahtig in einem lässigen dunklen Anzug kommt der 66-Jährige auf die Bühne. Dann lässt Jeff Beck die Gitarre singen mit ihrem, mit seinem unverkennbaren Ton und Timbre.

Einst war es eine beliebte Debatte oder eine Frage des Glaubens, wer von den drei englischen aus den Yardbirds hervorgegangenen Gitarrengöttern der Einzige und Wahrhaftige sei: Eric Clapton, Jimmy Page oder Jeff Beck? Heute sind derartige Glaubenskriege längst ausgestanden, zumal alle drei der vormaligen Gitarrenreligionsstifter sehr unterschiedliche Wege gegangen und an ebenso unterschiedlichen Punkten ihres Schaffens angelangt sind. Page verwaltet seit der Auflösung von Led Zeppelin deren Erbe, Clapton ist Superstar mit bieder braven Blues-Artigkeiten.

Und Beck? Er ist vielleicht der letzte wirkliche musikalische "Überlebende" der glorreichen Drei, der immer noch Spaß zu haben scheint an neuen Ideen. Und der sich auch sonst gut gehalten hat.

Schlank und drahtig und mit vollen Haaren wie früher – oder hat er denselben Perückenmacher wie Ronnie Wood? – kommt der 66-Jährige in einem lässigen dunklen Anzug auf die Bühne des fast ausverkauften Tempodroms getänzelt, spielt blaue Töne auf der obligaten weißen Stratocaster, lässt die Gitarre singen mit ihrem, mit seinem unverkennbaren Ton und Timbre.

Jeff Beck, der selber nicht singt, und für dessen frühere "Jeff Beck Group" Ende der Sechziger Rod Stewart diese Aufgabe erledigte, überlässt seitdem in seinen Konzerten das Singen und Sprechen überwiegend seiner Gitarre. Und zweifellos hat sie über die Jahre höchst eindrucksvolle Eloquenz, großes Gefühlsspektrum, einzigartiges Phrasing, traumhafte Dynamik und einen unglaublichen Tonumfang ausgebildet.

"Emotion & Commotion" heißt das neue Album – Gefühl und Lärm - was die Sache mit einem Augenzwinkern auf den Punkt bringt. Mit lyrisch weichem Gitarrenton interpretiert Beck Benjamin Brittens "Corpus Christi Carol", dreht die an- und abschwellenden Noten aus dem Lautstärkeregler, dosiert den Klang sehr fein und ausgewogen mit leichtem Druck auf den Vibrato-Arm. Um gleich darauf überzugehen in "Hammerhead" mit wabernden Wahwahen, einem freundlichen Wink zu Jimi Hendrix' "Vodoo Chile", um schließlich in schweres Hardrockgeriffe zu wechseln, mit berauschendem rhythmischen Raffinement.

Beck windet seinen ganzen Körper in die Töne, biegt das Kreuz durch und die Saiten, reißt und tupft sie mit Daumen und Fingern der rechten Hand, streckt sich hoch und reckt die Stratocaster, schüttelt rasante Jazz-Skalen aus der Hüfte und dirigiert seine Band lässig mit dem Gitarrenhals. Vom Keyboarder Jason Rebello wünschte man sich allerdings mehr warme Hammondorgel-Sounds statt der etwas altbacken wirkenden Synthie-Synthetik. Vom Drummer Narada Michael Walden wiederum hörte man lieber etwas sparsameres Rockschlagzeug, statt seines überlauten schwermetalligen Rumgefichtels auf unzähligen Trommeln, Becken und zwei Bassdrums. Rhonda Smith knattert, puckert, schnalzt und slappt ein rasantes Basssolo. Brillantes Gefunke und Gefunkel, bis auch das irgendwann zuviel wird. Und statt die Bassistin Muddy Waters' Klassiker "Rollin' And Tumblin" zergurgeln und zerknödeln zu hören, hört man doch viel lieber Becks Gitarre "People Get Ready" von Curtis Mayfield singen – gefühlvoll und ausdruckstark wie auch sein exquisites Bottleneckspiel. Zum Glanzpunkt des Abends wird die umwerfende instrumentale Interpretation des Beatles-Songs "A Day In The Life".

In der Zugabe hängt sich der notorische Fender-Stratocaster-Spieler Beck erstaunlicherweise eine schwarze Gibson Les Paul um. Eine respektvolle Geste zum Gedenken an den im letzten Jahr gestorbenen 94-Jährigen Gitarrenerfinder, Musiker und Songschreiber Les Paul. Ihm zu Ehren zelebriert Beck munter swingend Les Pauls Song "How High The Moon", mit Paul selbst und dessen Frau Mary Ford als Sänger aus der Konserve. Mit Giacomo Puccinis Opernarie "Nessun Dorma" als Gutenachtlied verabschiedet sich ein unnachahmlicher Gitarist von seinen verzückten Fans. Ob Blues, Heavy Metal, Jazz, Bebop, Swing, Musical oder Oper - Jeff Becks Gitarre hat eine Stimme für alles. Meisterhaft.

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