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Konzertkritik: Giant Sand im Lido: Alles passt

Boom-chicka-chicka: mit fein dosiertem melodischem Lärm feiert die Band Giant Sand im Lido ihr 25-jähriges Jubiläum und gibt ein großartiges Konzert.

Vorgruppen sind oft eine Qual. Diesmal im Lido ist die Vorgruppe wunderbar – mit schleppend vibrierenden Twängelsongs und Quengelgesang des Wuschelkopfgitarristen Anders Pedersen. Feine Melodien, flirrend staubiger Wüstensound. Nach kurzer Pause mutiert die Vorgruppe zur Hauptgruppe und heißt jetzt: Giant Sand. Dazugekommen ist ihr Chef Howe Gelb mit dunklem Jeanshemd, hellem Hut und roter Telecaster.

"We start off with a song from fumpfundtswäntsig Jahren ago!" Und schon kracht es schön schräg mit fein dosiertem melodischen Lärm zur Feier des 25-jährigen Jubiläums der Band aus Tucson, Arizona. So wüst und ungestüm punkend klangen Giant Sand 1985 im Jahr ihres ersten Albums "Valley Of Rain". Howe hängt sich eine Akustikgitarre um, macht boom-chicka-chicka, und singt einen swingenden Countrysong. Es geht ums Leben, ums Älterwerden und um diverse Katastrophen – wie in den meisten seiner Lieder – über das Alleinsein, die Liebe, Geschichten aus dem Leben.

Howe setzt sich ans Piano, schiebt den Hut hoch, spielt nebelig blauen Bar-Jazz, gibt den kratzigen Crooner. Zurück an der Gitarre erzählt er mit Cohen-Bariton eine seiner betörenden Songstorys, die er plötzlich zersägt mit einem wüst verzerrten Akustikgitarrensolo. Ein Stückchen "Riders On The Storm" von den Doors, ein paar verschroben witzige Bemerkungen über das Leben jenseits der fünfzig. Im Oktober ist Howe Gelb 54 geworden. "Happy fucking birthday, Howe!" schreit ein Fan aus dem Saal. "I wish you a fucking happy birthday, too!" gibt Howe cool zurück. Seine Art von Humor.

Alles ist unaufgeregt lässig an ihm. Wie auch seine Musik frei fließend, voller Überraschungen, mit wunderlich schönen melodischen Wendungen. Schwirren durch die Tonarten und die ungeheuere stilistische Vielfalt der letzten 25 Jahre von Giant Sand. Rock, Jazz, Country, Blues, Rockabilly, Folk. Lärm und Ruhe. Tosende Gitarren, tinkelndes Ragtime-Piano, verhaltene Lounge-Balladen. Alles passt trefflich zusammen, die alten Songs und die ganz neuen vom gerade erschienen Album "Blurry Blue Mountain".

Die fabelhafte Band, derzeitige Inkarnation der über die Jahre immer wieder das Personal wechselnden Giant Sand, folgt mit viel Intuition Howe Gelb und seinen zuweilen kauzig spontanen Einfällen: Nicolaj Heymann mit surfender elektrischer Gitarre und Orgel, Anders Pedersen mit rockender E-Gitarre und singender Lap-Steel, Peter Dombernowsky knallend, filzelnd oder wischend am Schlagzeug und Thoger Lund am selbstgezimmerten Kontrabass.

Abwechselnd weben die Gitarren riffige Flicken in die rhythmischen Löcher eines shuffeligen Klang-Teppichs. Um sich gleich wieder dezent in den Hintergrund zu verdrücken, wenn Howe mit der hübschen Countryschnulze "I Can't Help It If I'm Still In Love With You" dem großen Hank Williams huldigt. Und am Ende sehr ruhig und anrührend an seinen besten Freund erinnert, den 1997 an Lungenkrebs gestorbenen Singer/Songwriter und Slidegitarristen Rainer Ptacek, einst Gründungsmitglied von Giant Sand. Traumhaftes Konzert.

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