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Hans Söllner, bayerischer Querkopf und Dickschädel, begeisterte seine Fans in Berlin.

© promo

Konzertkritik: Hans Söllner im Kesselhaus: Stimmung wie im Bierzelt

Aufbegehren gegen Obrigkeiten, aussprechen, was sich andere nicht zu sagen trauen, das macht den 55-jährigen bayerischen Querkopf Hans Söllner so attraktiv für seine Fans. Am Dienstagabend redete und spielte er im Kesselhaus.

Draußen steht ein Kleintransporter aus dem Berchtesgadener Land mit dem Schriftzug "Marihuana Import/Export" und "Hans Söllner + Bayaman'Sissdem". Drinnen, im Kesselhaus, sitzt Hans Söllner auf der Bühne in Jeans und grauem Kapuzen-Shirt und klopft seine Akustikgitarre auf die Knie: "I glab do klappert wos!". Klopft noch mal, schaut seine Mitspieler fragend an, sagt's noch mal: dass er glaubt, dass da was klappert.

Er legt die Gitarre flach auf die Oberschenkel, und erzählt erstmal: Dass er manche Namen nicht mehr aussprechen will. Wegen der vielen Beleidigungsklagen, die ihn schon eine Menge Geld gekostet haben. Die meisten wegen Beschimpfungen von Politikern. Heute beschimpft er den "Verhandler von Stuttgart 21", heftig, drastisch. Söllner sagt seine Meinung, unter großem Gejohle des Publikums.

Ein bisschen wundert man sich, wie die stark berlinernden Fans Söllners Reichenhaller Dialekt überhaupt verstehen. Oder ist es eine Art vorauseilender Humor, der sie alle so vergnügt juchzen lässt. "I muaß ned Hochdeitsch redn, dass ma mi vasteht! I brauch a koan Hauptschuiabschluss!" Söllner hebt kurz die Gitarre, spielt einen Akkord, klappt sie wieder zurück auf die Knie, erzählt weiter. Über Heiner Geißler – jetzt hat er den Namen doch ausgesprochen – über das Kind von Elton John, Bienensterben, Marihuanaanbau. Dass es einem Menschen nur gut gehen kann, wenn es auch den anderen gut geht. Dass Verständnis, Achtsamkeit, Respekt im Umgang miteinander gefordert seien. Dass "ois, was da draußn passiert, nur passiert, weil mir des zualossn!"

Und dann die Aufforderung, die sich fast leitmotivisch durch den ganzen Abend zieht: dass man seinen Führerschein gut verstecken soll. Damit er einem nicht abgenommen werden kann. Am besten einen Werkzeugkasten kaufen, alles auf- und abschrauben, den Führerschein in die hinterste Ecke am Tank kleben, alles wieder zu- und anschrauben, um dann den Polizisten zu sagen, wenn sie nach dem Führerschein fragen: "Hams a bisserl Zeit?"

Aufbegehren gegen Zwänge und Obrigkeiten, sein ziviler Ungehorsam, dass er ausspricht, was sich andere nicht zu sagen trauen, das macht den 55-jährigen, bayerischen Querkopf und Dickschädel so attraktiv für seine Verehrer. Diese bunte Mischung aus Aktivist, Anarcho, Althippie, Rastafari, Kiffer, Pazifist, Prediger, Philantrop, Utopist, Vegetarier, Träumer, Outlaw. Aber dann ist Söllner natürlich auch noch Sänger und Songschreiber.

Nachdem er sich ganze 30 Minuten lang in Rage geredet hat, klappt Söllner die Gitarre wieder hoch, schrabbelt einen feinen Reggae-Groove, begleitet von Bass und Schlagzeug, fängt endlich zu singen an - heiser, widerborstig kratzig, schön: "Perverse", ein Lied über die unzulänglichen Zustände der Welt. Aber er singt auch von der Hoffnung und den Schönheiten des Lebens.

Er tutet in die Mundharmonika wie Neil Young, mischt einfache Melodien im Geist von Bob Dylan und Bob Marley mit bayerischen Gstanzln und Schnadahüpfln. Bis der ganze Saal grölt: "Edeltraud, Edeltraud, du host a saubas Gros obaut…" Stimmung wie im Bierzelt. "Pfiat eich!" sagt der Söllner und freut sich über die Zustimmung.

Draußen umschleicht ein wirrer Langhaariger den Kleintransporter aus dem Berchtesgadener Land und hämmert gegen alle Türen: "Mach uff! Ick weeß, ditt du da drinne bist!" Die Berliner Fans lieben Hans Söllner.

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