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© promo

Konzertkritik: Kissogram: Eine starke zweite Halbzeit

Nicht jedes Fiepen war gewollt. Aber dort, wo es passte, machte es den Elektro-Rock von Kissogram zum Erlebnis. Der vielversprechende Auftritt der Berliner zeigt, dass sie doch mehr sind als eine Vorband.

Es dauert bis zur Hälfte. Dann ist Jonas Poppe richtig da, präsent und auf den Punkt. Sein Jackett legt er ab und dem Publikum ruft er nochmal ein kurzes Hallo zu. Alles andere ist ab sofort nur noch „bla, bla, bla“ und es macht „Ratatata“. „The Desert“, eine der schmissigsten Nummern von Kissogram, versprüht den entscheidenden Funken ins Lido. Den, der alles entzündet. Von jetzt an ist das Trio komplett bei sich. Es sind vor allem die Lieder ihres neuen Albums „Rubber & Meat“, die verdeutlichen, was für ein Potenzial in der Band steckt. „Lucy“ und „Prominent Man“ sind dichte, kompakte, ausgeklügelte Songs, die die Berliner live mit viel Energie umsetzen.

Bis dahin hatten sie ein sauberes, gutes Konzert abgeliefert. Es fiepte, knirschte und blubberte an allen Ecken, wofür Sebastian Dassé, aus der Abteilung Nerd bei Kissogram, mit seinen Synthesizern verantwortlich war. Joe Dilworth, der Drummer, malträtierte sein Spielgerät mit viel Power und Verve. Und Sänger Jonas Poppe gab auch alles. Er fegte über seine Gitarre und presste seine Lieder ins Lido. Nur wirkte alles bis dahin noch etwas angestrengt, ohne richtige Freude und Spaß. Was vielleicht auch daran gelegen haben mag, dass sie sich immer mal wieder für technische Probleme entschuldigten, die im Publikum kaum wahrnehmbar waren. Doch irgendwann legten sie den Schalter um und spielten ihren Elektro-Rock-Sound fein und mit voller Wucht in die Beine ihrer Fans.

Drei Zugaben, nochmal ein Highlight

Das gut gefüllte Lido dankte es dem Trio mit frenetischem Applaus, so dass gleich drei Zugaben serviert wurden. Und das war nicht nur musikalisch nochmal ein Highlight, auch deutete sich an, dass vielleicht doch ein kleiner Entertainer in Jonas Poppe stecken könnte. Immerhin zuppelte er zum ersten Mal an diesem Abend das Mikro vom Ständer und tigerte über die Bühne, fummelte auf den Gerätschaften seines Kompagnons mit herum und wickelte sich schlussendlich auch noch das Kabel um den Hals. Es war ein vielversprechender Auftritt, aber nicht ihr erster in diesem Jahr in Berlin.

Vor ein paar Wochen spielten sie schon vor einem deutlich größeren Publikum in der Columbiahalle. Damals allerdings noch mit einem kleinen Makel: sie waren nur Vorband. Sie bereiteten Franz Ferdinand den Boden, was geschickt gewählt war, erinnert doch ihr Sound auch an den des neuen Franz-Ferdinand-Albums „Tonight“. Doch selbst wenn musikalische Ähnlichkeiten schon damals deutlich zu spüren waren, bekommen Vorbands bei manch ignorantem Fan höchstens das Prädikat „war ganz okay". Im Lido aber haben Kissogram bewiesen, dass sie deutlich mehr sind als eine Vorband.

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