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Konzertkritik: Klaus Schulze: Der Klanglandschaftsarchitekt

Ergreifende Zwischenweltmusik, die nicht jedem gefällt: Elektronik-Pionier Klaus Schulze versetzt mit Sängerin Lisa Gerrard das ausverkaufte Schillertheater in Schwingungen.

Was ist eigentlich so schwierig daran, in einem kleinen Haus wie dem Schillertheater einen nummerierten Platz zu finden? Bis sich beim ausverkauften Konzert von Klaus Schulze endlich alle zwischen Parkett, Balkon und Orchestergraben niedergelassen haben, hört man schon zartes Geschnarche aus der Reihe hinter sich.

Man mag es dem Verursacher nicht verdenken, ist die Vorgruppe doch alles andere als ein Muntermacher. Der Ambient-Pop von Solar Moon trägt Songtitel wie „The Keys on God‘s Piano“ und klingt, als hätten die Bandmitglieder die letzten 20 Jahre verschlafen.

Dagegen kommt Klaus Schulze geradezu aufgedreht rüber. In den Siebzigern war er ein Pionier der elektronischen Musik mit zeittypischen Look: Rückenlanges Haar war erste Krautrock-Pflicht. Im ausverkauften Schillertheater wirkt der fesch frisierte 61-Jährige mit seinem cremefarbenen Jackett wie der bestens gelaunte Bordkapellenleiter eines Kreuzfahrtschiffes.

Mit seinem ledergepolsterten Drehstuhl rollert Schulze zwischen sieben altmodischen, im Halbkreis angeordneten Synthesizern herum und dreht mal hier an einem Knöpfchen, drückt mal dort ein paar Tasten. Das erste, gleich gut halbstündige Werk ist ein ziemlich verhaltenes, zudem viel zu leise ertönendes Herantasten. Wenigstens schält sich nach etwa 15 Minuten der charakteristische, wie ein Güterzug in voller Fahrt klingende Sequenzerbeat aus dem Gewaber und Geraune.

Nach der Pause gewinnt das Konzert an Kontur – dank Lisa Gerrard, die in der folgenden Stunde zu Schulzes Soundbasteleien singen darf. Aber was heißt schon singen: Mit der Anmut einer Elfenkönigin formt die blasse Australierin mit offenem oder geschlossenem Mund Töne, die sich zu Melodien und Wortfetzen, aber nicht zu erkennbaren Sätzen fügen. Vielmehr artikuliert sie wie in einem babylonischen Urdialekt, in den Elemente aller möglichen Sprachen einfließen.

Mit ihrer Band Dead Can Dance schuf Lisa Gerrard vor über 20 Jahren die Blaupause für den Esoterik-Pop, der Enya später zu Welthits verhalf. Hier befreit sie sich von allen Fesseln der Songstruktur, schwingt sich zu den Sternen empor und wälzt sich im Staub einer jahrtausendealten Kulturgeschichte. Schulze formt dazu kraftvolle, filigran modellierte Klanglandschaften. Das subtile Gleichgewicht von Stimme und synthetischen Tönen addiert sich zur ergreifenden Zwischenweltmusik.

Nicht jedem gefällt dies, einmal werden beim Verlassen des Saales vernehmlich die Türen geknallt. Die überwiegende Mehrzahl aber spendet warmen Applaus, den Klaus Schulze mit einem jovialen Abschiedsgruß an die alte Heimatstadt erwidert: „Macht‘s gut, liebe Freunde, ich liebe euch.“

Jörg W, er

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