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Konzertkritik: Markus Rill & Annika Fehling im Intersoup

Markus Rill und Annika Fehling probieren neue Songs im Intersoup in Prenzlauer Berg aus. Gemeinsam haben sie einige erstaunlich schöne Lieder geschrieben, während langer Autobahnfahrten zwischen den Auftrittsorten.

Das Intersoup in der Schliemannstraße, Prenzlauer Berg, ist eine originelle Suppenkneipe und Bar, aber auch eine ziemliche Räucherhöhle. Rechts neben dem Tresen führt eine steile Treppe in einen nicht minder originellen Partykeller für kleine Konzertveranstaltungen. In wild zusammengewürfelten Sperrmüll-Stuhl- und Sesselreihen sitzt ein überschaubares Publikum - zwischen verschossenen Oma- und Afrikamotivtapeten, kleiner Diskokugel, Tütenlampen - und lauscht dem gemischten Singer/Songwriter-Doppel Annika Fehling aus Schweden und Markus Rill aus Deutschland. Da die Beiden sich untereinander nur auf Englisch verständigen können, und unter den Zuhörern einige Schweden und Amerikaner sitzen, und es viel zu reden gibt miteinander, einigt man sich auf Englisch als Sprache der Kommunikation zwischen Bühne und Auditorium, gesungen wird ohnehin Englisch.

"You can't avoid life once you're brought into this world" knurrt Rill die erste Songzeile und gewährt damit schon mal einen Einblick in seine Gedankenwelt. "Singin' In The Cemetary" vom Album "The Price Of Sin" aus dem Jahr 2006 ist ein melancholisches Lied über einen schweren Verlust, den Tod eines nahe stehenden Menschen. Aber auch über trotzigen Lebensmut: "That's why I'm singing and dancing in the cemetary tonight"!

Rill gibt den Song-And-Dance-Man mit tief hängender Gibson-Akustikgitarre, heulender Mundharmonika und Kratzstimme. "I made a wreck of my dream ... I made a mess of the truth" knarzt er, und dann "I've had enough of the dark ... now I'm travelling on a straighter road." Licht und Schatten. "The Things That Count" ist der Titel seines jüngsten Albums. Die besten Vorbilder immer in hörbarer Nähe: "Woody (Guthrie), Hank (Willams) and Townes (Van Zandt)", wie er in einem späteren Song bekennt. Hinzufügen ließen sich Johnny (Cash), Bob (Dylan) und Steve (Earle), sowie noch einige andere große Songwriter. Das kann nicht verkehrt sein.

In Cowboyhemd, Jeans und Stiefeln, mit ungebändigten schwarzen Stachelhaaren und kleinem Unterlippenbärtchen steht Markus Rill nicht nur musikalisch in auffallendem Gegensatz zur hellblonden, extrovertierten Annika Fehling, die neben ihm zierlich und elfenhaft erscheint in flatteriger Hippiegarderobe. Besingt Rill die typischen amerikanischen "Folk Tales" über Verbrechen, Mord, Sünde, sich kreuzende Straßen und steinige Wege, beschäftigt sich die liebliche Schwedin mit klarer Stimme und leicht esoterischem Einschlag eher mit den freudigen Aspekten des Daseins.

"Ach, sie singt doch nur immer über Blumen und Schmetterlinge, Regenbögen und Sommertage" frotzelt Rill. "Und er über...", Annika legt sich eine tiefe kratzige Kunststimme zu: "...über snakes and murders and gunslingers in Texas!"

Interessant bei all diesen durchaus reizvollen Gegensätzen sind dann die Kollaborationen des ungleichen Musiker-Paares. Gemeinsam haben sie einige erstaunlich schöne Songs geschrieben, während langer Autobahnfahrten zwischen den Auftrittsorten.

"Wie weit ist es eigentlich bis Bremerhaven?" fragt Annika. Da müssen sie morgen hin.

Ihren neuesten Song haben sie erst heute auf der Fahrt nach Berlin komponiert, inspiriert von einem Feueralarm gestern Abend im Hotel in Hamburg. Es sei zwar nur ein Fehlalarm gewesen, sagt Rill, aber in seiner blühenden Songwriter-Phantasie hat er eine seiner typischen Kurzgeschichten daraus gemacht: über einen finsteren Typen, der mit Benzinkanister und Streichhölzern durch ein Hotelfoyer schleicht. Ein dunkles Lied, das ein bisschen an Tom Waits erinnert und an Tony Joe White: dräuend und sumpfig. Ein schönes Duett.

Alleine, nur mit ihrer kleinen Martin-OOO-Akustikgitarre, singt Annika ein paar Songs von ihrem neunten Album "Fireflies", das sie in Nashville aufgenommen hat und das gerade erschienen ist. Da habe sie eine Verbindung gesucht zwischen ihren skandinavischen Folk-Wurzeln mit Americana-Elementen und –instrumenten. Feines Fingerpicking, Open Tunings, schweres Schrammeln. "I Know Better" hat sie geschrieben mit dem exzellenten amerikanischen Singer/Songwriter David Olney, worauf sie mächtig stolz ist. Heute singt sie es im Duett mit Rill.

Und weitere Duette. Fehling solo. Rill solo. Ein Bierkrug geht rum als Klingelbeutel – hoffentlich reicht's fürs Benzin nach Bremerhaven. Jeder von beiden probiert neue Songs aus, etwas wackelig vielleicht manchmal, mit Textblatt, aber auch mit einem besonderen Charme. Und schließlich zwei wunderbare Duett-Interpretationen von Townes Van Zandts "If I Needed You" und "Angel From Montgomery" von John Prine. Angenehmer, familiärer Abend.

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