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© promo

Konzertkritik: Of Montreal - Musik für einen zuckenden Tausendfüßler

Es klingt, als stünden David Bowie, das LCD Soundsystem und die späten Beatles gemeinsam auf der Bühne – so vielschichtig ist die Musik von Of Montreal, einem Sextett aus Athens, Georgia, das gerade in Berlin auftrat.

Eigentlich ist es ja eine deprimierende Tatsache, dass es viel mehr großartige Musik gibt, als man in seinem Erdenleben entdecken kann. Of Montreal gehen dieses Problem im Lido aber ziemlich kreativ an.

Kevin Barnes’ modulationsreicher, wirklich nach Bowie klingender, öfter aber auch ins Curtis-Mayfield-Falsett abhebender Gesang bildet das melodische Kräftezentrum, um das herum die kaleidoskopische Musik der Band explodiert. Meist von zwei dynamisch wühlenden Bässen oder rhythmisch ineinander verkeilten Drummern angetrieben, titschen Of Montreal von dekadentem Glamrock-Bombast über hedonistische Disco-Ekstase bis zu Zahnstein zermahlendem Hardrock und verbinden dabei auch noch diverse Songs zu Medley-artigen Gesamtkunstwerken höchster Schwierigkeitsstufe.

Tanzschaffe statt Leistungsschau

Das Ganze aber nicht als abweisend-sperrige Leistungsschau, sondern als unglaubliche Tanzschaffe, die das Publikum nach über 100 Minuten als zuckenden Tausendfüßler zurücklässt. Und als wäre all das nicht schon Sinnesüberreizung genug, brennen Of Montreal mithilfe dreier Komparsen noch ein simultanes Showfeuerwerk ab: Monströse goldene Sumogötter, gesichtslose Ninjas und zwielichtige Tierdämonen bevölkern in vieldeutigen Szenen die Bühne.

Am Ende muss der hünenhafte Roadie einen Teil seiner Samson-Mähne opfern, die Locken werden wie Reliquien ins Volk gereicht. Allerhöchster Weirdo-Faktor, „ganz großes Kino“, wie die Kollegin meint. Nach Yeasayer und Bon Iver schon das dritte beste Konzert des Jahres. Was kommt jetzt noch?

Jörg W, er

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