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Konzertkritik: Peter Bjorn & John: Den inneren Pete Townshend rauslassen

Sie mussten etwas um sich treten, um die Vergangenheit abzustreifen, aber jetzt haben sie es wohl geschafft: Niemand im gut gefüllten Festsaal Kreuzberg verlangt von Peter Bjorn & John, dass sie „Young Folks“ spielen, den Superohrwurm mit dem Pfiff, der die drei Schweden 2006 zu den It-Boys des globalen Indie-Pops machte.

Stattdessen werden all die anderen dynamisch zwischen Sixties- und Eighties-Einflüssen hin- und herspringenden Songs des Trios bejubelt. Sänger Peter Morén wechselt sich zunächst mit Bjorn Yttling an Keyboard und Bass ab, ehe er ab dem vierten Song „It beats me every Time“ auf die Gitarre umsteigt. Dazu klopft John Eriksson im Stehen auf ein kleines Set aus akustischen und elektronischen Drums ein.

Erstaunlich, welche Energie die drei mit minimalem technischen Aufwand erzeugen. Immer wieder hat man das Powerpop-Kraftwerk der frühen The Who vor Augen, wenn Morén Akkorde dreschend herumhüpft und Yttling bollerige Bassgewitter prügelt. Die Songs sind zugleich kompakt und komplex, bestechen mit eingängigen Melodielinien und münden oft in abenteuerliche Instrumentalpassagen, etwa bei dem strahlend schönen Doo-Wop-Gesang bei "Living Thing“, der von einem großartigen Bluesrock-Gesplatter niedergewalzt wird.

In der Popgeschichte kennen sich Peter Bjorn & John besser aus als ihr junges, sehr internationales Publikum: Als sie eine Coverversion der Feelies ankündigen, einer tollen, im Nebel der Obskurität verschollenen Postpunk-Band der frühen Achtziger, macht sich Ratlosigkeit breit. Umso stürmischer wird das explosive „Fa Cé-La“ dann gefeiert.

Nach einer turbulenten Stunde kommt er dann doch, der unverkennbare Funky-Beat von „Young Folks“, dazu zweistimmiges Pfeifen, extracooler Gesang und ein elaboriertes progrockiges Intermezzo. Man könnte meinen, dies wäre der Höhepunkt, doch es wird noch besser: Das abschließende „Up against the Wall“ mit genial eingeflochtenem, düster-manischem Joy-Division-Zitat gerät zum zehnminütigen Exzess, bei dem Peter Morén zur Bass-Drum-Dampfwalze seiner Kollegen den inneren Pete Townshend rauslässt und sich schier um den Verstand springt und singt. Ganz großes Kino der sympathischen Schweden.

Jörg W, er

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