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Konzertkritik: Rockige Rhythmen, Kinderlieder und bizarre deutsche Texte

K.C. McKanzie und Gymmick in der Veranstaltungsreihe "Ohne Strom" am Badeschiff.

"Ohne Strom" nennt sich die tolle, inzwischen zur beliebten Institution gewordene sommerliche Reihe kleiner "Unplugged"-Konzerte auf dem Gelände vom "Badeschiff" an der Treptower Arena.

Ein lauer Sommerabend an der Spree. Während es langsam dämmert und noch jede Menge Schwimmer im türkisblau leuchtenden Wasser im Becken des "Badeschiffes" ihre Bahnen ziehen, Boote mit blinkenden Lampen langsam vorüberschippern, sitzt am Ufer etwas oberhalb ein großer Pulk junger Leute dicht gedrängt im feinen Strandsand unterm dunkelblauen Abendhimmel und lauscht amüsiert kichernd einem Musiker mit dem interessanten Namen Gymmick.

Charmant verwurstelt er mit Akustikgitarre und kräftiger Stimme bekannte Melodien, rockige Rhythmen, Kinderlieder und bizarre deutsche Texte über "Suizide von süßen Tieren", "Fiderallallah" und "Böse Möbel" mit Ikea-Namen, die schreckliche Morde begehen. Wehmütige Erinnerungen an eine Kindheit mit "Yps", "Pril-Blumen" und "Astro Pops". Oder eine zornige Aufforderung an die Ex-Geliebte: "Nimm den gelben Sack mit, wenn du gehst!" Er singt "Sssack" - mit stimmlosem "s". Gymmick kommt aus Nürnberg.

Aus einem Dorf in Brandenburg stammt die begabte, in Berlin lebende Singer/Songwriterin K.C. McKanzie. Als Jugendliche sei sie hingerissen gewesen von The Band, Captain Beefheart und Tori Amos, hatte sie im Interview erzählt. Bis sie ihren späteren musikalischen Partner "Budi" traf, der sie darüberhinaus mit Country und Bluegrass bekannt machte und ihr schließlich sagte: "Mach was du willst, aber ich mache mit!"

Eine gute Idee, denn seit Jahren machen die Beiden als Duo gemeinsame musikalische Sache, haben vier Alben veröffentlicht, stehen regelmäßig auf der Bühne und werden von Jahr zu Jahr besser. Glücklicherweise hat das einstige Idol Tori Amos mit ihren gesanglichen wie auch optischen Manierismen bei K.C. McKanzie keine hör- und sichtbaren Spuren hinterlassen. Heute denkt man eher an Gillian Welch, Lucinda Williams und Rickie Lee Jones, wenn denn unbedingt Vergleiche her müssen.

Mit einer betörenden Mischung aus Folk, Blues, Country, Rock, Appalachischer Old-Time-Music und ein bisschen hüpfenden Jump-Jive-Swing hat K.C. McKanzie zu ihrem ganz eigenen wurzeligen Americana-Stil gefunden. Melancholisch. Bittersüß. Doch auch immer wieder fröhlich und unbekümmert. Einfach und schön.

Zu "Ohne Strom" kommt K.C. McKanzie, die – wie auch Gilllian Welch - schon immer ein Faible hatte für "Retro-Look", in luftigem Kleidchen mit lustig bunten Motiven musizierender Tiere, hängt sich ihre kleine Akustikgitarre um und singt "Hammer And Nails", den Titelsong ihres vorletzten Albums.

Später nagelt Budi den Takt mit einem Hammer in einen Ziegel, dass es staubt in rhythmisch weißen Wolken.

Doch meistens zupft und schlägt er pointiert perkussiv seinen Kontrabass. Und wirkt dabei im weißem Smoking-Hemd mit schwarzer Fliege, Halbglatze und kantigen Bewegungen wie eine Mischung aus beflissenem Oberkellner längst vergangener Zeiten, Situationskomiker und Feuerzangenbowle.

Wippend umtänzelt er den großen Bass, wechselt zwischendurch zum viersaitigen Banjo, legt sich einen Schellenkranz um den Fuß, knöchelt scheppernden Rhythmus. Während McKanzie mit ihren hochhackigen Lack-Schuhen heftig den Takt in die Bühnenbretter rammt zu einer Art beatligem "Come Together"-Groove.

Kongenial verstärkt wird das formidable Duo neuerdings vom Drummer Martin Hoffmann, der unterm kecken Trilby-Hütchen je nach Erfordernissen der einzelnen Songs kräftig stöckelt, filzig klöppelt oder auch mal Snare und Becken mit den bloßen Händen bearbeitet. Mit starkem Harmoniegesang gibt der junge Schlagzeuger dem Klangbild eine weitere interessante Farbe, immer eine Lage über McKanzies ausdrucksstarker dunkler Stimme.

Mit sinnlich großem Mund und schnupfenroter Nase singt sie Mörderballaden und schräge Walzer. Zum flotten Rockabilly-Beat im Titelsong des jüngsten Albums "DryLand" und vielen dunklen Mollakkorden auf der Akustischen plickert McKanzie auf dem Banjo ländliche Folkklänge und Tom Waits'sche Schrägheiten. Und Budi hat den Bogen raus und klopft unter einen lebhaften Jug-Band-Klang sehr witzig das Thema von Led Zeppelins "Kashmir".

Höchst vergnüglicher Sommerabend.

Nächstes Berlin-Konzert von K.C. McKanzie: 2. Oktober 2010 im Admiralspalast

Nächste Konzerte der Reihe "Ohne Strom" am Badeschiff:

28. Juli: Ofrin, Tammy Ingram & Sorry Gilberto

04. August: Johanna Zeul

11. August: Cannibal Koffer

18. August: Jack Beauregard

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