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Konzertkritik: Schwabbeln, schrabbeln, schrubben: The Reverend Peyton's Big Damn Band

Ein umwerfender Auftritt im White Trash Fast Food: Der Reverend Peyton räumte mit seiner Big Damn Band ab.

Seine Musik im Sitzen zu hören, sagt der Reverend, das wäre ja wie in der Oper. Nein, die Leute sollen tanzen und singen können. Also erstmal Tische und Stühle raus vor der Bühne im White Trash Fast Food. Dann kann es losgehen.

Und wie es losgeht. Eine wilde Familienangelegenheit der Familie Peyton aus Indiana, USA. Links hinten in der Ecke rattert Jayme Peyton, jüngerer Bruder des Reverend, knallige Wirbel in die Snare. In der Mitte trägt seine Frau Breezy ein Waschbrett wie eine Rüstung vor dem massiven Leib. Schwabbelt und schrabbelt schrubbenden Rhythmus auf der silbern gewellten Rubbelfläche. Ratsch, ratsch, ratsch.

Und dann der Reverend selbst. Eine eindrucksvolle Erscheinung, wie ein amerikanischer Siedler aus dem 19 Jahrhundert: massiver Bauch im roten Cowboyhemd, weite Landeihose mit breiten Hosenträgern, schmalkrempiger Hut und langer schwarzer Vollbart. Wüst traktiert er eine kleine Resonatorgitarre mit dem Slide, schlittert den Hals rauf und runter in rasender Geschwindigkeit, wie ein durchgeknallter Robert Johnson auf Speed.

Dazu dieser Wahnsinnsgesang, tiefes rhythmisches Grunzen, melodiöses Herausschreien ekstatischer Songs. Leidenschaftlicher Gospel-Punk zu den Beobachtungen und Gedanken des Reverends. Sein Bedauern, dass man nicht mehr angeln gehen kann, weil die Flüsse von Chemieabfällen vergiftet sind. Dass der Walmart, die schönen kleinen Geschäfte auf dem Land kaputt macht. Dass man nicht krank werden darf, wenn man sich keine Versicherung leisten kann. Oder einfach nur die Freude am Leben und am Essen, dass Mutters Bratkartoffeln nicht zu schlagen sind. Rap'n' Blues. Krachen, Klirren und Kreischen der Saiten verschiedener alter Gitarren. Open Tunings und normale Stimmung. Eine alte rostig braune National Steel. Stampfender Dampflokblues, der in rasendes Tempo übergeht. Wie ein durchgedrehter Elmore James. Mississippi John Hurt und Reverend Gary Davis auf Trab gebracht.

Reverend Peyton bleckt die Hasenzähne, schlägt Haken übers Griffbrett, jagt über die kleine Bühne. Spielt seine Lieder noch ungestümer und rauher als auf dem exzellenten Album "The Whole Fam Damnily", auf dem man doch noch besser die Feinheiten seines herausragenden Gitarrenspiels studieren kann. Tanzt mit seiner Frau einen wilden Tanz, bei dem sie sich gegenüberstehen wie zwei riesige Nagetiere mit geblähten Backentaschen.

Und das angestochene Publikum tanzt mit und johlt und kreischt. Ganz zu Recht, denn wir sind ja nicht in der Oper. Sondern in dieser wilden Messe ungestümer Lebenslust.

H.P. Daniels

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