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Konzertkritik: The Specials in der Columbiahalle

Auf ihrer Abschiedstournee hat die englische Musikband ein weiteres Mal beweisen können, dass sie mit ihrer Musik ein unglaubliches Maß an euphorischer Lebenslust ausdrücken können. Kein Mensch in Sicht, der hier nicht das Tanzbein schwingen möchte.

"Enjoy yourself, it´s later than you think!".Es ist ein alter Song von 1940, den The Specials, die Wegbereiter des britischen Ska-Revivals, schon 1980 auf ihre eigene ungestüme Art fröhlich herauspunkten.

Heute, über 30 Jahre später, stellt die reformierte, schwarz-weiße Two-Tone-Band aus Coventry die Aufforderung, das Leben zu genießen, so lang man noch jung ist, per Intro als Motto über ihr Konzert in Columbiahalle. Und wenn auch kaum einer der enthusiastischen Fans mehr im Jugendalter ist, so sind doch alle bereit, sich zu amüsieren und zu tanzen, was das Zeug hält.

"Do The Dog" von Rufus Thomas brettert von der Bühne, die Musiker mit schwarzen Sonnenbrillen und feschen Fedora-Hütchen wuseln, wippen, wackeln. Drehen auf mit "Dawning Of A New Era", während riesige Ventilatoren gegen die dampfende Hitze andrehen und die Mohair-Anzüge blähen. Bierbecher und Hüte segeln durch die Luft, Arme recken sich. Der Saal wird zur Hüpfburg für ausgelassene Fiftysomethings. Und alle singen "Ah-yah-yah ah-yah-yah" zum Maytals-Song "Monkey Man", den der 56-jährige schwarze Neville Staple zum rasanten Polka-Offbeat rausshoutet mit ironischem Witz: "I only heard of you huggin' up the big monkey man… " Schon wegen ihrer speziellen schwarz-weißen Besetzung, waren die Specials immer ein Statement gegen dumpfe rassistische Ressentiments. Was sie auch mit ihren scharfen Song-Texten immer wieder untermauerten.

Wie ihr Publikum sind auch die Specials älter und grauer geworden. Was ihnen ein bisschen vom früheren Punk-Ungestüm und einstiger Hampeligkeit genommen hat, nichts jedoch von ihrer sprühenden musikalischen Energie.

Der 60-jährige Lynval Golding spielt eine tolle kristallklar klirrende 60er-Jahre-Telecaster. Roddy Byers grätscht dazwischen mit der Gretsch und rasanten Rockabilly-Twang-Figuren. Bassist Horace Panter wandert mit festen hüpfenden Schritten über Griffbrett und Bühnenbretter. Und John Bradbury trommelt all die vertrackten rhythmischen Ska- und Reggae-Figuren mit unglaublich lässiger Präzision und Leichtigkeit. Mächtig tuten die Bläser in die Hörner und fröhlich quietscht eine Jahrmarktsorgel.

Nur der einst so fidele Sänger Terry Hall wirkt wie ein angeschlagener Boxer, hält sich steif am Mikrostativ fest, wendet sich vom Publikum ab, raucht eine nach der anderen und singt das eigentlich melodisch so reizvolle "Friday Night, Saturday Morning" traurig atem-, kraft- und ausdruckslos. Bis ihn die Mitstreiter wieder einbetten in die brillante Vierstimmigkeit von "Do Nothing" und "A Message To You Rudy".

"Enjoy yourself, it's later than you think…" singen sie am Ende und es wirkt ein bisschen wehmütig, bevor es vorbei ist nach einer guten Stunde und zwei ertobten Zugaben. Nach dieser Tournee wollen sich The Specials endgültig auflösen.

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