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Konzertvorschau: Alexander Veljanov: Zwei vor, drei zurück

Dunkle Chansons: Der Gothic-Star Alexander Veljanov entdeckt seine mazedonischen Wurzeln. Am 19. Februar spielt er in der Berliner Passionskirche.

Er ist ein dunkler Prinz. Ein Mystiker der deutschen Popmusik, verschlossen und unnahbar. Er kleidet sich meist schwarz, die Haare trägt er hochtoupiert, über sein Privatleben spricht er kaum. Auf seinem neuen Soloalbum „Porta Macedonia“ gibt Alexander Veljanov, sonst Frontmann der vor allem in Dark-Wave- und Gothic- Kreisen populären Band Deine Lakaien, nun mehr von sich preis. Es ist sein persönlichstes Werk, in ihm verarbeitet der Berliner Musiker seine Beziehung zu seiner zweiten Heimat Mazedonien.

Veljanov ist halb Deutscher, halb Mazedonier. Er wurde in der Bundesrepublik geboren, als es Mazedonien als staatliches Gebilde noch gar nicht gab, verbrachte aber seit seinem ersten Lebensjahr immer einen Teil des Jahres in Jugoslawien. Doch Anfang der neunziger Jahre verlor er die Beziehung zu seinen Wurzeln. Mit dem Album „Dark Star“ hatten Deine Lakaien 1991 den Durchbruch geschafft, die Karriere nahm immer mehr Zeit in Anspruch. Gleichzeitig begannen die Bürgerkriege auf dem Balkan, wodurch bei Veljanov „eine Art Lähmung“ einsetzte. Die Folge: Erst 2003 reiste der Künstler wieder nach Mazedonien, blieb dann aber – mit Unterbrechungen – gleich vier Jahre.

An Arbeit dachte er zunächst nicht. „Anfangs sollte ich nur als Gast bei einer Band mitsingen. Daraus hat sich der Gedanke entwickelt, ein neues Soloalbum zu machen.“ Es ist sein drittes nach „Secrets of the Silver Tongue“ (1998) und „The Sweet Life“ (2001). Und auch wenn die Umstände seiner Entstehung und der Titel es vermuten lassen könnten: Ein folkloristisches Ethno-Album ist „Porta Macedonia“ nicht geworden. Zwar wurden auch traditionelle Instrumente wie Hirtenflöten verwendet, „um die Klangfarben einzufangen“, so Veljanov. Mit „Gypsy- Heiterkeit“, auf die Musik des Balkans häufig reduziert werde, kann er jedoch nicht viel anfangen. So verschmelzt er in den elf Stücken stattdessen Dark- und New-Wave-Elemente mit Pop- und Chansontraditionen, gelegentlich blitzt sogar eine Reminiszenz an Brecht/Weill auf. „Mir ging es darum, möglichst experimentell zu klingen, einfach völlig frei, ohne jegliche Vorgaben.“ Dass er ohne Plattenfirma im Rücken arbeitet, sollte man hören können.

Unterstützt wurde der Mann mit der sonoren Stimme, der einst Theater- und Filmwissenschaft studierte, von Komponist und Arrangeur Goran Trajkoski, der hierzulande durch seinen Soundtrack zum Film „Before the Rain“ bekannt sein dürfte. Trajkoski ist offenbar auch dafür verantwortlich, dass sich Veljanov auf „Porta Macedonia“ ironischerweise häufiger als bislang der deutschen Sprache bedient. „Er ist sehr interessiert an der deutschen Kultur und Musikgeschichte, was mich motivierte. Und nach dem ersten Versuch hat sich gezeigt, dass meine Vermutung, dass meine Stimme mit der deutschen Sprache nicht korrespondiere, falsch war.“ Mazedonisch singt Veljanov dagegen auf keinem der Songs – um besser verstanden zu werden, wie er betont.

Doch auch wenn man Balkan-Beats und lokale Mundart auf dem Album vergeblich sucht, der Titel „Porta Macedonia“ passt. Lyrisch verarbeitet Veljanov seine Verbindung zu dem zwei Millionen Einwohner zählenden Land. Das mag privat und introspektiv sein, Seelenstriptease betreibt der Sänger trotzdem nicht. Seine Texte sind meist kryptisch. „Zwei vor und drei zurück“ heißt das Schlussstück, ein Lied über die Entwicklung Mazedoniens: „Mein Freund, gib bloß nicht auf, jetzt geht’s erst los. Erwache, steh auf und schau.“ Es gehe, erläutert der Sänger, „um die Situation dieses Landes, seit vielen Jahren das einzige Ex-Jugoslawiens, das sich nicht in einen Krieg hat hinein ziehen lassen, das trotz aller Widrigkeiten überlebt hat und versucht, den Weg in die Unabhängigkeit und Eigenständigkeit zu finden.“

Mazedonien, etwa so groß wie Hessen, ist arm und noch stark agrarisch geprägt, die offizielle Arbeitslosenquote liegt bei knapp 35 Prozent. Wer Arbeit hat, verdient um die 250 Euro im Monat, während die Konsumgüterpreise denen Westeuropas ähneln. „Es ist sehr bitter zu sehen, wie sich die Großkonzerne – Telekommunikation oder Autoindustrie – dort die Filetstücke herausholen. Da darf man sich nicht wundern, wenn die Kriminalität floriert“, empört sich Veljanov.

Was bedeutet Heimat für einen, der in zwei Ländern groß geworden ist? „Ich habe als Kind lernen müssen, dass es so etwas wie Heimat in dem Sinne nicht gibt. Heimat definiert sich für mich über Menschen, Gerüche, Geschmäcker und Gefühle. Man kann es nicht erklären.“ Fragt man Veljanov, der mittlerweile hauptsächlich in Berlin lebt, aber nach den größten kulturellen Unterschieden zwischen Mazedonien und Deutschland, muss er nur kurz überlegen. „Abgesehen von den Sprachen und der Küche: Die Zeit läuft anders in Mazedonien, man nimmt sich einfach mehr Zeit, um miteinander zu essen und zu reden.“

Zeit für Müßiggang dürfte er mittlerweile kaum noch haben, die Tour zur Platte, die durch ein halbes Dutzend deutscher Städte führt, ist gerade gestartet. Aber in Mazedonien hat Veljanov vor allem eine Erkenntnis gewonnen: „Die Anwesenheit dort relativiert vieles, worüber wir uns hier beschweren, vieles, was wir in unserer satten Wohlstandsgesellschaft als selbstverständlich erachten.“

Alexander Veljanov spielt mit seiner mazedonischen Band am Donnerstag, den 19. Februar, in der Passionskirche, 21 Uhr.

>> Tickets für die Passionskirche

Stefanie Erhardt

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