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© promo

Konzertvorschau: Randy Newman: Seine Stimme zählt

Auftritt der Woche: Randy Newman ist mit neuem Album auf Tour. Am Sonnabend spielt er in der Universität der Künste.

Mitte der Siebzigerjahre. Der Fernseher lief eher zufällig: drittes Programm, NDR. Und plötzlich war da dieser Typ. Er saß an einem großen Konzertflügel, spielte und sang. Er sah nicht besonders aus, ein bisschen dicklich, mit einem aufgedunsenen Gesicht und einer riesigen schwarzen Brille. Wie ein muffiger Intellektueller. Nein, ein Rockstar war der nicht. Und cool sah er auch nicht aus. Aber man blieb doch kleben an diesem Bild. Was sang der Mann mit dieser seltsam dünnen Stimme da? Und die Musik erst: Ein bisschen Blues, Ragtime, ein bisschen New Orleans, Fats Domino. Und ein leichter Country-Touch – aber auch Broadway. Irgendwann wurde ein Name eingeblendet: Randy Newman. Nie gehört.

Diesen Sonnabend tritt Newman, heute 64, im Konzertsaal der Universität der Künste auf. Es ist eines von nur drei Deutschlandkonzerten, er wird sein neues Studioalbum „Harps and Angels“ vorstellen, das erste seit neun Jahren. Als muffliger Intellektueller würde ihn heute keiner mehr bezeichnen, aufgedunsen wirkt er auch nicht mehr. Geblieben ist seine Stimme. Und die fasziniert wie vor 30 Jahren.

Früher sang Randy Newman Texte voller schwarzem Humor und tiefer Melancholie. Über Tanzbären, Liebeserklärungen im Suff und nackte Männer, die alten Damen das Portemonnaie klauen. Nicht zu vergessen: Newmans zynische Vision, wie man Welthunger und Überbevölkerung durch den Abwurf einer Atombombe lösen könnte: „Boom goes London, boom Paris, more room for you and more room for me!“ Dieser Sänger ließ einen nicht mehr los. Auch wenn den Mann damals eigentlich keiner kannte. Man musste erst nachforschen, um etwas über den Künstler in Erfahrung zu bringen: dass er am 28. November 1943 in New Orleans geboren wurde, als Randall Stuart Newman, dass er aus einer musikalischen Familie stammt – zwei Onkel waren bekannte Hollywood-Filmkomponisten, auch der Vater schrieb in seiner Freizeit Songs.

Bald kaufte man die nächsten Alben: „Little Criminals“ (1977), „Born Again“ (1979), „Trouble In Paradise“ (1983). Mit all den wunderbaren Story-Songs und Filmen im Drei-Minuten-Format: über schräge Typen, Gauner, Freaks, Kindermörder im Vorkriegsdeutschland, konservative Dummköpfe und Rassisten im Süden der USA. Über kleine Leute, Ausgestoßene und Verlierer. Politisch korrekt war das alles nicht. Vielleicht war es gerade deswegen so gut.

1988 erschien mit „Land Of Dreams“ das erste Album mit Songs über Newmans eigenes Leben: Kindheitsgeschichten, erste Liebe, persönliche Niederlagen. Zwischendurch komponierte er vorwiegend Filmmusiken, ab dann, auf dem Album „Bad Love“ (1999), besang er zum ersten Mal seine neuen Themen: das Älterwerden, die eigene Sterblichkeit und die Familie. In „My Country“ freute er sich, wenn die erwachsenen Kinder zu Besuch kommen, aber auch, wenn sie wieder gehen.

Und heute? Unter den zehn neuen Songs findet man eine Countryballade mit dem Titel „A Few Words In Defence Of Our Country“. Es ist eine Abrechnung mit der Bush-Regierung. Das probieren in diesen Monaten ja viele. Aber Randy Newman macht es auf seine Art. Er sucht Argumente zur Verteidigung: So schlimm war Bush doch gar nicht, verglichen mit der spanischen Inquisition oder dem belgischen König, der Afrikaner versklavt hat. Wie schön, wenn einer seinen Biss nicht verliert.

H.P. Daniels

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