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© dpa

Leonard Cohen: Es lebe der Barde

Leonard Cohen hat sich von seinem Zusammenbruch auf der Bühne erholt – am Montag wird er 75 Jahre alt.

Drahtig schwungvoll sprintet Leonard Cohen auf die Bühne. Beifallumtost steht er am Mikrofon, schlank und ein bisschen linkisch krumm, im eleganten dunklen Anzug, mit großen Ohren, eindrucksvoller Nase und melancholischen Augen. Er lacht, hält den Trilby-Hut vors Herz, beugt seinen Kopf mit den kurzen weißen Haaren leicht nach vorne, bedankt sich dafür, dass wieder tausende gekommen sind, ihn und seine Lieder zu hören: „Dance Me To The End Of Love“, „Bird On The Wire“, „Suzanne“, „Tower Of Song“, „Hallelujah“, „First We Take Manhattan“ – um nur einige der Lieder zu nennen, mit denen der kanadische Songpoet Cohen seit dem Frühjahr 2008 auf einer ausgedehnten Welttournee wieder seine Fans betört.

So kennt ihn sein Publikum. Was aber muss es für ein Schock für die 3000 Zuschauer gewesen sein, in der Nacht zum Sonnabend in Valencia. Als er „Bird On The Wire“ singt, stützt er sich plötzlich am Schlagzeug ab. Dann bricht er zusammen. Sofort wird er in ein Krankenhaus gebracht, das Konzert abgebrochen.

Fünf Stunden später wird er entlassen. Eine leichte Lebensmittelvergiftung, so lautet die offizielle Erklärung. Er ist wieder auf dem Damm, heißt es, am heutigen Montag, an seinem 75. Geburtstag werde er wie geplant als Höhepunkt seiner Tour in Barcelona auftreten.

Sein weltweites Publikum atmet auf. Noch immer strömt es zu seinen Konzerten. Ein würdevoller älterer Herr ist er geworden, der, umgeben von einer hervorragenden Band, mit dunklem, rauchigem Bariton seinen zeitlosen Midtempo-Songs aus dem Repertoire der letzten vierzig Jahre eine lebenserfahrene, tiefblaue Soulnote einhaucht. Und immer noch und immer wieder lässt der alte Charmeur dabei die Ladys dahinschmelzen. Ihn selber habe es immer amüsiert, erzählte Cohen in der Filmdokumentation „Leonard Cohen – I’m Your Man“, wenn man ihn als „Ladies’ Man“ bezeichnet hat. Und ein Sänger? Sei er eigentlich auch nicht, erklärte er. Wo er doch nicht mal einen Ton richtig halten könne. Das klingt ein bisschen kokett, aber nur ein bisschen. Doch was noch entscheidender ist: er versteht es immer noch, und mehr denn je, einen Ausdruck in seinen Gesang zu legen, der nicht nur die Ladys zu Tränen rührt. Voller Wehmut und Hoffnung. Niedergeschlagenheit und Lebensfreude. Ernsthaftigkeit und verschmitztem Humor.

Ursprünglich wollte Cohen, der aus einer jüdischen Kaufmannsfamilie in Montreal stammt, nur Schriftsteller sein, schwer beeinflusst von der amerikanischen „Beat Generation“ der 50er Jahre: Kerouac, Ginsberg, Burroughs. In den 60er Jahren veröffentlichte er die beiden Romane „The Favourite Game“ (1963) und „Beautiful Losers“ (1966) sowie den Gedichtband „Flowers for Hitler“ (1964). Zur Musik kam er eher beiläufig. 1967 gab er sein Debüt als Sänger auf dem „Newport Folk Festival“. Sein erstes Album „Songs Of Leonard Cohen“ machte sofort Furore. Unversehens war Cohen zum Musiker geworden, zum Sänger, als der er sich eigentlich nie fühlte. Er brachte viele erfolgreiche Platten heraus, gab unzählige Konzerte. Bis er genug hatte und sich in den 90ern zurückzog in ein buddhistisches Kloster. Niemand hätte geglaubt, Leonard Cohen je wieder öffentlich zu erleben. Aber dann war er doch wieder da.

In London sagte er im letzten Sommer: „Vor vierzehn Jahren bin ich hier zum letzten Mal aufgetreten. Da war ich 60. Noch ein Jugendlicher mit einem verrückten Traum!“ Dann zählt er eine endlose Liste von Medikamenten auf, die er inzwischen nehmen muss.

Und lacht.

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