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Entspannt: Manfred Maurenbrecher.

© Kitty Kleist-Heinrich

Maurenbrecher zum 60.: Liedermacher, der Ältere

Seit den Erfolgen von Gisbert zu Knyphausen hat die Bezeichnung Liedermacher wieder einen besseren Klang. Bescheiden nennt sich der große Berliner Songpoet Manfred Maurenbrecher schon immer gern Liedermacher. Eine Hommage zum 60. Geburtstag.

Es wirkt alles auf alles, der Anfang macht Schluss und sagt zu dem Ende: Man tut, was man muss. Es wirkt alles auf alles, das Ende fängt an und sagt zu dem Anfang: Man tut, was man kann.
("Es wirkt alles auf alles", Manfred Maurenbrecher 2009)

"Es wirkt alles auf alles", sei sein Lieblingsstück von seiner jüngsten Platte ("Hoffnung für alle"), sagt der Berliner Autor und Musiker Manfred Maurenbrecher. Und es hängt ja auch alles mit allem zusammen, auf wundersame Weise. Anfang und Ende und alles zwischendrin.

Pendeln wir also ein wenig hin und her, zwischen Anfang und Ende, heute und damals: Vor kurzem feierte Gisbert zu Knyphausen gleichzeitig mit der Veröffentlichung seines zweiten Albums ("Hurra! Hurra! So nicht") seinen 31. Geburtstag. Geboren ist er 1979, dem Jahr, in dem Maurenbrecher für einige Monate nach Kreta ging, um sich in die Bücher von Hanns Henny Jahnn zu vertiefen, zur Vorbereitung auf seine Promotion.

Dr. Manfred Maurenbrecher legt auf Titel keinen Wert, wäre ihm eher peinlich, denn Maurenbrecher ist ein bescheidener Mann, der sich, statt sich mit akademischen Lorbeeren zu schmücken, lieber schlicht als Liedermacher bezeichnet.

Seit den jüngsten Erfolgen von Gisbert zu Knyphausen hat die Bezeichnung Liedermacher, der die letzten Jahre ein wenig der Hautgout von biederer Artigkeit anhaftete, in der allgemeinen Wahrnehmung wieder einen besseren Geschmack bekommen. Stolz präsentiert sich heute eine neue, junge "Liedermacher"-Szene und erstaunlicherweise wird der junge zu Knyphausen gelegentlich mit dem alten Liedermacher Reinhard Mey verglichen.

Und Manfred Maurenbrecher mittendrin: Zu Reinhard Meys 60. Geburtstag im Dezember 2002 schrieb Maurenbrecher im Tagesspiegel: "Mit 'Kaspar' von Reinhard Meys zweiter LP war ich für ihn gewonnen, von seiner Klarheit, vom Schmelz bezaubert. Obwohl die Musik betulich daherkam (was mir heute gefällt), und wir Jüngeren von einer Generation Unterschied ihn als den Freund der älteren Schwester, als strebsamen jungen Erwachsenen ansahen."

Wie die Zeit dahin rast: heute zählt Gisbert zu Knyphausen zu den "Jüngeren" und Maurenbrecher zu den "Älteren". Und der feiert jetzt auch schon seinen 60. Geburtstag. Kaum zu glauben. Kaum zu glauben, dass es inzwischen 28 Jahre her ist, seit Maurenbrecher seine erste Langspielplatte veröffentlichte ("Maurenbrecher", 1982).

Im Jahr, in dem Gisbert zu Knyphausen drei Jahre alt wurde und Reinhard Mey vierzig, war Maurenbrecher mittendrin. In der Berliner Musiker-Szene, zwischen Herwig Mitteregger, Spliff, Ulla Meinecke und Interzone. Betreut wurde er damals vom legendären Fotografen und Nena-Manager Jim Rakete. Der fand für ihn irgendwann die Bezeichnung "Clochard beim Bankett".

Keine schlechte Charakterisierung, die vielleicht auch heute noch zutrifft. Auf diese eigenwillige, unangepasste Type von kugeliger Gestalt, mit schwarzrandiger Hornbrille, angegrautem Schnauzbart und langen zotteligen Haaren, sowie einem Faible für großgemusterte Hemden und bunte, gestreifte Westen – wenn er schwitzend donnernde Akkorde ins Klavier hämmert und keuchend dazu singt, schreit, lispelt. Voller Leidenschaft und voller Seele, mit kräftigen Bildern und immer treffenden Worten. Für das Leben, für die inneren und äußeren Zustande. Zwischen Pennertum und hoher Intellektualität, scharfem Wortwitz und dunkler Melancholie.

Man denkt an Tom Waits, Randy Newman, Bob Dylan, Van Morrison, Leonard Cohen, eben nur die ganz großen Sänger und Songschreiber. Hoch verehrte Vorbilder, über die der Autor Maurenbrecher auch sehr kluge, erhellende und unterhaltsame Features geschrieben hat – Hörspiele fürs Radio, Essays für diverse Zeitschriften.

Für Maurenbrecher ist das Schreiben sicherlich genauso wichtig wie die Musik. Neben unzähligen Songs auf inzwischen 16 Alben veröffentlichte er zwei Romane und etliche Kurzgeschichten. Die Begleittexte zu seinen Songs in den Booklets der Platten lesen sich wie literarische Miniaturen. Die Lieder selbst sind immer auch Kurzgeschichten mit feinen Melodien und anrührender Eindringlichkeit.

Musik und Texte, überhaupt alles passt trefflich zusammen. Dazu das schöne Klavier. Und eine exquisite Band. Die Arrangements sind wohldosiert. Genau richtig und nie zu dick aufgetragen. "Draußen rauschen die Trends vorbei", sagt Maurenbrecher. Seine Kunst ist weder altbacken, noch zwanghaft modern aufgemotzt, sondern einfach zeitlos.

Auch auf dem jüngsten Album "Hoffnung für alle" waren die Vorbilder wieder nur die besten: Randy Newman, die Schwestern Anne & Kate McGarrigle, Tom Waits, Nick Lowe, Christie Moore. Bei einem Song hört man ein bisschen Willie DeVille durch, vermischt mit "Sloop John B." der Beach Boys. Das "Sonntags-Lied" ist eine gelungene Antithese zu Franz Josef Degenhardts "Deutscher Sonntag" (1965) und ein bisschen "Sunday Morning Coming Down" (1970) von Kris Kristofferson.

Maurenbrechers Stimme ist auf diesem Album besser denn je. Mit leichter Bröckeligkeit in den Bronchien, was gottlob niemals manieriert wirkt. Und der bittersüßen Melancholie von so anrührenden Songs wie "Links und rechts am Ufer". Sowie dem brillant ins Deutsche und auf Maurenbrechers Klavier und Stimmbänder übertragenen Dylan-Song "Eternal Circle" ("Ewiger Kreislauf"). "Also holt' ich nur Luft und fing das nächste Lied an" heißt es dort am Ende. Und Maurenbrecher, der etliche Kleinkunst- und Liederpreise bekommen hat, der jahrelang mit seinen Kollegen Horst Evers und Bov Bjerg das literarisch musikalische "Mittwochsfazit" gestaltete, und der gerade wieder auf Tournee ist mit seiner brillanten Band, fängt immer wieder ein neues Lied an, verändert sich und bleibt sich treu.

Und wenn dem talentierten jungen Gisbert zu Knyphausen von Fans und Kritikern ständig attestiert wird, er sei der derzeit beste Songpoet in deutscher Sprache, dann möchte man sofort Maurenbrechers Platte auflegen: "Hoffnung für alle". Und ihm alles Gute wünschen zum Sechzigsten.

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