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"The Beatles"

© dpa

Musical: Die Beatles - vom Circus Krone zum Hotel Estrel

Unser Autor H.P. Daniels hat die Beatles gesehen. Richtig, die echten Beatles, auf der Bühne, im Konzert. "Bravo Blitztournee", Juni 1966, München, Circus Krone. Jetzt kann man wieder die Beatles sehen. In der Wiederaufführung des Musicals "all you need is love" im Neuköllner Estrel.

Ich habe die Beatles gesehen. Ein Satz, der einen inzwischen alt aussehen lässt, der aber auch ehrfürchtiges Staunen auslöst bei den Jüngeren, den Fans von Oasis, Franz Ferdinand, Arctic Monkeys, Kaiser Chiefs. Der hat noch die Beatles gesehen. Wow! Die echten Beatles! Echt. Wie war das? Muss toll gewesen sein!

Es war toll. So etwas vergisst man nicht.

Nur junge Leute im Saal damals, bei den Beatles 1966, Jugendliche, Kinder fast noch. Bis auf Ordner und Polizisten kaum jemand über achtzehn. Unsere Eltern waren dagegen, alle Älteren waren dagegen, gegen die Beatles: Urwaldmusik. Wir waren jung. Und gegen die Älteren. Die Beatles waren unsere Verbündeten und auch noch ziemlich jung.

Sie sahen toll aus, hatten lange Haare, ungewöhnliche Haarschnitte, waren rebellisch, lustig, schlagfertig. Und vor allem machten sie diese wilde Musik, wie man sie vorher nicht gehört hatte. Mit metallisch scheppernden Gitarren, schönen Melodien, mehrstimmigem Harmoniegesang.

Im Konzert 1966 war ihre Musik kaum zu hören, wegen des schrillen Kreischens der Fans. Das Wort "Fan" hörten wir zum ersten Mal in Verbindung mit den Beatles.

1967 gaben sie schon keine Konzerte mehr, 1969 lösten sie sich auf. Vor vierzig Jahren. Aber immerhin: ich habe die Beatles noch live gesehen. Die Beatles von "Nowhere Man", "Baby's In Black", "She's A Woman", "Rock 'n' Roll Music". Sie spielten nur kurz, gerade aufgetaucht, und schon wieder weg. München 1966.

Über vierzig Jahre später sehen wir die Beatles wieder, sie sehen jung aus, fast wie damals. Das Publikum sieht alt aus. Älter jedenfalls als unsere Eltern von damals. Einige haben ihre jugendlichen Kinder mitgebracht ins Estrel Festival Center zum Beatles-Musical "all you need is love".

Alle wollen noch einmal die Beatles sehen. Aber niemand kreischt, alle sitzen gesittet an kleinen Tischchen. Gediegene Kleidung, Flasche Wein, Flasche Wasser. Und auf der Bühne sehen sie die Beatles, glauben, die Beatles zu sehen, die Beatles zu hören. Da ist das dumpfe rhythmischen Gitarrenriff ... schschtnn-duddlumm, schschtnn-duddlumm ... und John Lennons halliger Rock 'n' Roll-Stimme: "Come together, right now, over here". George Harrison spielt ein schönes Gitarrensolo. Der Linkshänder Paul McCartney hält den Höfner Violin-Bass rechts herum. Und Ringo spielt sein Schlagzeug heute anders als Ringo damals.

Aber das sind ja auch gar nicht die richtigen Beatles, die Zuschauer wissen das, doch für die nächsten zwei Stunden vergessen sie es, wollen es vergessen, wollen die richtigen Beatles sehen und hören, die sie damals verpasst haben in den 60ern. Oder die Jüngeren, die sie gar nicht hätten sehen können, weil sie noch nicht geboren waren als die Beatles sich längst aufgelöst hatten, wollen sie jetzt auch mal sehen und hören. "Get Back".

Dazu bekommen sie in einer kleinen Rahmenhandlung auch ein bisschen Beatles-Historie präsentiert, in kleinen Spielszenen zwischendrin, wo ein Schauspieler als Bühnenhelfer erzählt, wie alles angefangen hatte, in Liverpool, dann Hamburg 1960, die Spelunken auf der Amüsiermeile von Sankt Pauli: Indra, Top Ten, Star Club. Dazu zur Illustration kleine Filmschnipsel, Zeitkolorit auf Videoleinwand.

Und schon sind die Beatles wieder auf der Bühne - in Rockerkluft, Lederjacken - mit Kostproben aus dem Repertoire von damals: "Kansas City", "Roll Over Beethoven", "That's All Right, Mama". Die ersten Plattenaufnahmen mit Tony Sheridan und dem Produzenten Bert Kaempfert. Der clevere Geschäftsmann Brian Epstein übernimmt das Management. In Liverpool spielen die Beatles im legendären Cavern Club wieder ungehobelten Rock 'n' Roll und rasanten Mersey Beat. "Some Other Guy". Epstein steckt sie in elegante Anzüge und die erste Single kommt raus. "Love Me Do". Etliche Hits in England und der große Durchbruch in den USA 1964 mit "I Want To Hold Your Hand" als Nummer eins in den Charts. Pause im Festival-Center.

Danach geht es so weiter: Schlag auf Schlag, Song auf Song, aus der mittleren Phase. "Ticket To Ride", "A Hard Day's Night". Drogen- und musikalische Experimente um 1967. "Sgt. Pepper". Und unsere formidablen Ersatz-Beatles, die Beatles-Rivival-Band "Twist & Shout", Tony Kishman als McCartney, Jim Owen als Lennon, John Brosnan als Harrison und Beav Parker als Ringo, spielen nun auch Songs, die die Beatles selbst nie auf die Bühne gebracht haben. Das ist interessant: "Penny Lane" und "A Day In The Life", der unsterbliche Song vom "Sgt. Pepper"-Album, den kürzlich Neil Young bei seinem jüngsten Berlin-Konzert in einer berauschenden Version in die O2 World gedonnert hat.

Am Ende haben "Twist & Shout" in zwei Stunden drei Dutzend Beatles-Songs absolviert. Kompetent und schön. Wenn einen auch gelegentlich der Eindruck beschleicht, die Akteure könnten der Sache inzwischen etwas überdrüssig geworden sein, seit mittlerweile acht Jahren immer wieder aufs Neue die Beatles zu geben, in ihre Rollen schlüpfen zu müssen. Überhaupt hat "all you need is love" seit den Anfangstagen einiges vom ursprünglichen Charme und Glanz verloren, da aus urheber- und musiklizensrechtlichen Gründen radikale Kürzungen der Spielszenen, Moderationen und überleitenden Texten vorgenommen werden mussten.

Trotzdem ist die Show immer noch sehenswert. Und viele werden hinterher sagen, sie hätten tatsächlich die Beatles gesehen, und dass sie aufgesprungen sind am Schluss, um wild zu tanzen zu "Twist And Shout".

Ob es in 40 Jahren etwas Ähnliches geben wird über Franz Ferdinand oder Oasis, ist zu bezweifeln.

Noch bis zum 9. August im Estrel Festival Center.

H.P. Daniels

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