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Musikszene: Alte an der Macht

Es war das Jahr der Nostalgie. Nicht junge hippe Stars der coolen Musikszene gaben 2007 den Ton an, sondern die angegrauten Rocker von gestern.

Die wiedervereinigten Ü50-Bands Police und Genesis füllten mit ihren Tourneen weltweit die Stadien. Das Londoner Comeback-Konzert von Led Zeppelin löste nicht nur einen Ansturm von 20 Millionen Fans auf die gerade einmal 20.000 Tickets aus, sondern beflügelte auch deren Hoffnungen auf eine große Tour. Und die Eagles eroberten Anfang November mit ihrem ersten Studioalbum seit 30 Jahren Platz eins der US-Charts.

Viele Millionen Fans geben offensichtlich gern 100 Euro und mehr aus, um altbekannte Hits live zu hören - denn Neues hatten Police, Genesis und Led Zeppelin ebenso wenig zu bieten wie Hollywood-Diva Barbra Streisand bei ihrer umjubelten Tour. Ein Rezept, mit dem die Rolling Stones schon seit Jahren Kasse machen. Mit ihrer fast zweijährigen Welttour "A Bigger Bang" nahmen die Rock-Opas rund 394 Millionen Euro ein und übernahmen den Titel "erfolgreichste Tournee-Band" von U2, die auch nicht zur Riege der ganz jungen Rockgruppen gehört.

Die großen Bands seien selbst zu Marken geworden, erklärt Professor Udo Dahmen, Leiter der Popakademie Mannheim. "Der Megatrend "Marke" ist ganz wichtig. Da wissen die Leute, was sie kriegen, auch wenn sie dafür zum Teil horrende Preise bezahlen. Aber da wird man kaum enttäuscht." Das war auch bei den großen, weltumspannenden Festivals so, wo die Stars der 80er und 70er, ja sogar der 60er Jahre im Vordergrund standen: Das Gedenkkonzert für Prinzessin Diana im Juli wurde von Elton John (60) eröffnet, danach rockten seine Altersgenossen Rod Stewart (62), Bryan Ferry (62) und Tom Jones (67) vor 70.000 Fans im Wembley-Stadion. Die "Live Earth"-Reihe für den Klimaschutz nur eine Woche später dominierten Sting (56) und Phil Collins (56) mit ihren Bands sowie die auch nicht mehr ganz taufrische Madonna (49) und Yusuf alias Cat Stevens (59).

Celine Dion wird größtes Ereignis

Ein neuer, frischer Musiktrend ist derzeit nicht in Sicht. Zwar kündigen sich für 2008 keine großen Wiedervereinigungen alter Rock-Haudegen an, doch das größte Konzertereignis wird sicherlich die Welttournee von Chanteuse Celine Dion werden, die nach fünf Jahren Las-Vegas-Engagement wieder auf große Reise geht. Daneben touren auch noch die Disco-Vorkämpfer Earth, Wind & Fire, Songschreiber Neil Diamond oder auch die US-Rocker Bon Jovi - allesamt keine Trendsetter mehr.

"Wir müssen uns auch klar darüber sein, dass in 50 Jahren Pop das Genre gewisse Gesetzmäßigkeiten und Mechanismen entwickelt hat, die einfach laufen", sagt Dahmen, der an der Popakademie angehende Musikstars und Branchenprofis ausbildet. Deshalb werde es auch immer schwieriger, etwas ganz Neues zu entwickeln. "Die vergangenen fünf Jahre haben stark vom Retro-Trend gelebt, da können ältere Bands mit ihren Pfunden wuchern", sagt er. Die großen Trends entstünden eher so: "Bekanntes wird wieder verarbeitet." Das hieße aber nicht, dass nur stumpf recycelt werde. "Man muss die Grundlagen kennen, aber dann etwas schaffen, das unverwechselbar ist."

Das haben etliche junge Bands und Musiker im kleineren Rahmen 2007 geschafft - gerade in Deutschland. "Culcha Candela waren erstmals in den Top Ten, Juli hatten eine sehr gute Tour, die Helden haben sich mit ihrem dritten Album gefestigt und die Fantastischen Vier hatten Erfolg mit Album und Tour. Der deutsche Trend hat sich verstetigt", sagt Dahmen. Gleichzeitig haben die Jungs von Tokio Hotel die französischen Charts erobert und eine erfolgreiche Europatournee gespielt. "Auch im deutschen Hip-Hop passiert sehr viel, das hat sich etabliert" - vom aggressiv-proletenhaften Rap eines Bushido oder Sido bis zum ironisch-augenzwinkernden Stil eines Jan Delay. "Und international haben wir Amy Winehouse oder Mika, die tolle Musik machen, oder auch die Babyshambles um Pete Doherty, die entgegen aller Voraussagen ein beeindruckendes Album herausgebracht haben."

Patrick T. Neumann[dpa]

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