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Neue Pop-Tipps aus Berlin: Spreelectro: "Summer of Disco" und schwere Beats

In unserer Serie "Spreelectro" stellt der DJ und Musikjournalist Martin Böttcher Gutes aus der Hauptstadt vor. Dieses Mal erklärt er uns, warum der Sommer 2013 als "Summer of Disco" in Erinnerung bleiben wird und warum ihm das neue Moderat-Album gefällt - aber den Nachbarn nicht.

Housemeister's OP-1 (Boysnoize Records)

Der Housemeister, von seinen Kumpels und allen, die es werden wollen (und davon gibt es eine ganze Menge) nur „Housy“ genannt, ist eine echte Type. Letztes Jahr bin ich ihm zufällig in Texas getroffen. Texas! Als hätten zwei Berliner nichts besseres zu tun, als dort die Wege zu kreuzen. Es dauerte nicht lange, da zeigte er mir seine neue Tätowierung auf dem Arm: Ein Taschen-Synthesizer, aber nicht irgendeiner, sondern der OP-1, den eine kleine schwedische Firma herstellt und in den sich Housy offenbar schwer verliebt hatte. Die Liebe hält offenbar bis heute, denn sein neues Album hat er nicht nur nach diesem kleinen Gerät benannt, sondern es auch gleich damit produziert. Die 14 Tracks darauf sind wie gehabt gleichzeitig schräg und energisch und ... irgendwie anders. Hat eine Weile gedauert, aber inzwischen habe ich mich auch in den OP-1 verliebt. Hält bei mir aber vermutlich nicht ganz so lange an, diese Beziehung.

Kon - On My Way (BBE)

Der Sommer 2013 wird einmal als „Summer of Disco“ in die Musikgeschichte eingehen. Disco, die Älteren unter uns werden sich erinnern, war eine Zeit lang ein echtes Schimpfwort, aber aus dieser Abneigung sprach vor allem die Abneigung des homophoben und spaßfreien weißen Mannes. Der aber hat im Augenblick nicht viel zu melden und so feiert Disco sein x-tes Revival. Kon, ein DJ aus Boston, der von dem ein oder anderen als größter Könner in Sachen Soul, Funk und Disco gehandelt wird, feiert mit, On My Way ist sein erstes selbst produziertes Album. Neben dem englischen Sänger Ben Westbeech und einigen anderen Gastmusikern aus dem Rest der Welt taucht auch Georg Levin  auf, ein Sänger und Produzent aus Berlin. Ihr gemeinsamer Song (und der Rest des Albums) lassen zwei Vermutungen zu: Disco bleibt. Und es muss nicht immer Daft Punk sein, auch nicht im Jahr 2013, im Summer of Disco.

Martin Böttcher, Berliner DJ und Musikjournalist.
Martin Böttcher, Berliner DJ und Musikjournalist.

© Frauke Fischer

Moderat – II (Monkeytown Records)

Das ist jetzt ein bisschen gemein, aber geht nicht anders: Erst Anfang August kommt dieses neue Album von Moderat heraus, bei mir läuft es aber schon seit einigen Tagen auf der großen Anlage. Die Nachbarn finden es scheußlich, weil sie nur die schweren Bässe mitbekommen, die dünne Wände durchdringen wie ein heißes Messer die Sommerbutter. Und ich? Ich wollte es nicht gut finden, glaubte, mich gegen den Hype wehren zu müssen, der die Zusammenarbeit zwischen Sascha Ring alias Apparat auf der einen und Modeselektor (Gernot Bronsert & Sebastian Szary) auf der anderen Seite von Beginn an begleitet hat. Aber alle Gegenwehr ist vergeblich: Wie die Drei von der Bassstelle ihre schweren Rhythmen und leichten Melodien zusammenbringen, ist zwingend. Sascha Ring scheint sich jetzt auch als Sänger mehr zuzutrauen. Das alles tut mir unendlich leid für die Nachbarn, aber freut mich für diese Berliner Musiker, die mittlerweile mehr für die Stadt und ihren guten Ruf in der Welt getan haben dürften als jede staatlich gesteuerte Werbekampagne. Be a Kopfnicker, be a Bassdrum, be Berlin.

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