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Martin Böttcher, Berliner DJ und Musikjournalist.

© Frauke Fischer

Neue Pop-Tipps aus Berlin: Spreelectro: Trip in den Candyshop

Der DJ und Musikjournalist Martin Böttcher gibt auf Tagesspiegel.de schon länger Pop-Tipps. Für unsere Serie "Spreelectro" hat er sich inzwischen auf Berlin spezialisiert und empfiehlt Gutes aus der Hauptstadt.

Jaxson & David Keno: Candyshop (Yellow Tail)

Der eine – Jaxson – gehört schon eine halbe Ewigkeit zum Berliner Technogeschehen, der andere ist vor kurzem aus der Schweiz an die Spree gezogen. Nach eine Reihe von gemeinsamen Tracks und Remixen haben die beiden jetzt ihren „Candyshop“ eröffnet. So heißt jedenfalls ihr Tech-House-Album. Candyshop, der Süßwarenladen ... wenn man das wörtlich nimmt, dann klingt das nach sehr viel Zucker, verdorbenem Magen, nach bunten Süßigkeiten und einigermaßen viel Spaß. Passt auf jeden Fall: Zuviel von dieser korrekt produzierten Musik ist nicht gut. Aber gleichzeitig kann man auch nur schwer aufhören, wenn man erst einmal angefangen hat. Das liegt an dieser Mischung aus geschmeidigen Beats und manchmal überzuckerten Vocals. Ja, es darf auch schon mal kitschig werden bei Spreelectro!

V.A.: Forward To The Past Vol. 2 (Poker Flat Recordings)

Von den großen Genres ist Techno das jüngste. Aber selbst Techno hat schon deutlich über 20 Jahre auf der Festplatte. Kein Wunder also, dass auch hier nicht mehr unbedingt nach vorne, sondern immer öfter zurückgeschaut wird, auf die Anfänge, die frühen Jahre, die 90er. Und auf das, was davor kam, Acid House zum Beispiel. 1988, also noch vor Mauerfall und Berliner Techno-Urknall, machte diese Musik erst die Engländer und dann den Rest Europas verrückt. Warum, das versucht die Forward-To-The-Past-Compilation zu ergründen. Musiker wie der Berliner Produzent Steve Bug, die geheimnisvolle Snuff Crew oder das Motorcitysoul-Duo besuchen noch einmal die Sounds des legendären Roland-303-Bass-Synthesizers, der Acid erst möglich machte. Und so fiept und zirpt und zischt es hier wie vor fast 25 Jahren. Futuristisch wirkt das Ganze zwar nicht mehr, aber irgendwie zwingender: Produktionswissen von heute trifft auf Experimentierfreude von damals.

Mouse On Mars – Parastrophics (Monkeytown)

Schräg: Das mittlerweile in Berlin wohnende Elektronik-Duo Mouse On Mars veröffentlicht nach Jahren eine neue Platte und anstelle des erwarteten Frickel-Gewitters kommt ein rockiges, ravendes Ungetüm, das perfekt zum Modeselektor-Label Monkeytown passt. Bei Parastrophics legt sich Soundschicht auf Soundschicht, und wo bei anderen nur ein undefinierbarer Brei die Folge wäre, ergibt bei Mouse On Mars alles einen Sinn. Ebenfalls schön durchgeknallt die Gesangsparts, die einen wieder fest daran glauben lassen, dass elektronische Musik eine Zukunft hat.

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