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Maxïmo Park

© promo

Neues Album: Maxïmo Park: Fit ohne Hit

Komplex oder langweilig? Maxïmo Parks neues Album "Quicken the Heart" ist ein mutiges Bekenntnis zur Kontinuität.

Das Zeitfenster, in dem sich eine Popband etablieren muss, wird immer kleiner. Wer nicht mit dem ersten Album den Durchbruch erzielt, kann im Grunde seine Gitarrenkoffer packen und auf den Dachboden tragen. Im Echtzeit-Gewitter des Internet-Ruhms reicht nicht mal eine herausragende Platte für langfristige Karriereplanungen. Das mussten etliche Gruppen des Gitarrenrock-Revivals der letzten Jahre feststellen, die oft schon mit ihren Zweitwerken auf eine Mauer des Desinteresses prallten und sich massivem Veränderungsdruck ausgesetzt sahen.

Unter dieser Prämisse ist „Quicken the Heart“, das dritte Album von Maxïmo Park, ein mutiges Bekenntnis zur Kontinuität. Das Quintett aus Newcastle hat der Versuchung widerstanden, seinen Bandsound aufzupolieren. Hier wurde kein hipper Produzent eingekauft wie Mark Ronson für die Kaiser Chiefs, keine Trendadaption versucht wie bei den Discopunk-Modernismen von Franz Ferdinand und Yeah Yeah Yeahs. „Quicken the Heart“ klingt zwölf Songs und 38 Minuten lang sofort nach Maxïmo Park, wie man sie kennt. Mit der kleinen Einschränkung, dass die Nordbriten dann doch eine ihrer Kernkompetenzen vernachlässigen. Denn die himmelsstürmenden, zwischen Euphorie und Verzweiflung hin und her geworfenen Gitarrenpop-Hymnen, die sich auf den Vorgängeralben „A Certain Trigger“ (2005) und „Our Earthly Pleasures“ (2007) zuhauf fanden, scheinen auf „Quicken the Heart“ zu fehlen.

Zweifel sind angebracht, wenn Sänger Paul Smith das defensivere Songwriting in Interviews als bewusste Entscheidung darstellt. Welche Band würde freiwillig auf Hits wie „Apply Some Pressure“ oder „Our Velocity“ verzichten, wenn sie noch mehr von diesem Kaliber auf Lager hätte? Allerdings erscheint das „Wir könnten, wenn wir wollten“-Gerede so abwegig nicht, wenn man sich intensiver mit der Platte beschäftigt. Mehr als die vorherigen Alben, die großartig waren in ihrer Dichte, aber auch etwas unzusammenhängend, wird „Quicken the Heart“ von einem das Album zusammenspannenden Bogen getragen.

Und auch was die fehlenden Hits angeht, gibt es dafür durchaus Gründe: Maxïmo Park haben die Methode, ihre Songs auf verschwenderische Weise mit sich überlagernden Bridges, Hooklines, Refrains und Rhythmuswechseln zu bereichern, nochmals verfeinert. Was natürlich zu Lasten der Eingängigkeit geht. Gab der durchschnittliche Maxïmo-Park- Song bislang Rohmaterial für zwei bis drei vollwertige Hits her, so kommt man jetzt beim Zählen kaum nach. Das führt im Extremfall zu einem fantastisch vielschichtigen Stück wie „The Kids Are Sick Again“, das zwei Minuten lang vehementen Stimmungswechseln unterworfen ist, ehe es sich in den letzten 50 Sekunden endlich zu einem befreienden Refrain aufschwingt.

Maxïmo Park beherrschen wie kaum eine andere Band die Kunst, völlig eigenständig zu klingen. Auch wenn sich im subtilen Soundgeflecht der Songs Zitatsplitter der Postpunk- und Powerpop- Ära der späten Siebziger aufspüren lassen, kommt es nie zur kompletten Stilübernahme. So mag das auf Einzelnoten basierende Gitarrenspiel von Duncan Llyod mitunter an The Cure oder Paul Smiths Lieblingsband The Go-Betweens erinnern, Archis Tikus Bassläufe an Joy Division oder Lukas Woollers prägnantes Georgel an die Talking Heads. Doch da sämtliche Elemente im bandeigenen Teilchenbeschleuniger rotieren, fliegt das Konstrukt nicht auseinander.

Außerdem ist da ja noch Paul Smith: Der ehemalige Kunststudent kam erst kurz vor der 2004 erschienenen Debütsingle „The Coast Is Always Changing“ zur Band aus Newcastle, die einen charismatischen Frontmann suchte. Ein Anforderungsprofil, das Smith in jeder Beziehung übererfüllt. Bei den tumultösen Konzerten von Maxïmo Park bringt er als Rampensau mit irrem Blick und höchstem Körpereinsatz die Fans zum Toben. Auf Platte drückt der Daueremphatiker mit hartem Geordie-Akzent jedem Song inbrünstig seinen Stempel auf. Wobei er sich neuerdings mehr Zwischentöne gestattet: So sind Stücke wie „I Haven‘t Seen Her In Ages“ oder „A Cloud Of Mystery“ von einer zurückhaltenden Melancholie geprägt, die mit dem Sturm und Drang von „Calm“ und „Roller Disco Dreams“ Balance halten.

Kein Alleinstellungsmerkmal ist indes, dass Paul Smith als Autor auch mit 30 einer im Grunde postpubertären Befindlichkeit verhaftet bleibt. Das ewige vergebliche Suchen der Liebe, die leiernde Sinnlosigkeit des Daseins sind zentrale Themen seines lyrischen Schaffens. Würde Smith nicht immer wieder originelle, präzise formulierte Bilder und Metaphern finden, wäre man dieser beschränkten Weltsicht rasch überdrüssig. So aber hört man seine Verse so gern, wie man früher Bücher von Nick Hornby gelesen hat, der ja auch nie über die charakterliche Reife eines Anfangzwanzigjährigen hinauszukommen schien.

„Quicken the Heart“ ist Gitarrenpop in höchster Verfeinerungsstufe, mit dem sich Maxïmo Park als eine der besten britischen Bands der Gegenwart bewähren, wenn auch nicht selbst überbieten. Bleibt zu hoffen, dass die Komplexität der neuen Songs ihrem Erfolg nicht im Wege steht.

Jörg W, er

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