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© AFP

Neues Album: Peter Doherty: Malen nach Qualen

Pop-Bohémien Pete(r) Doherty gibt mit „Grace/Wastelands“ sein Solodebüt. Es ist das Album eines Mannes, der offenbar nicht für das Leben als Einzelgänger gemacht ist.

Zum dreißigsten Geburtstag hat er sich selbst das schönste Geschenk gemacht, the missing „r“. Pete Doherty heißt jetzt Peter Doherty, behält aber sein Babyface.

Mit seinem ersten Soloalbum „Grace / Wastelands“, dessen Cover ein selbstgemaltes Blut-Aquarell des frisch Erwachsenen schmückt, hat Doherty das nächste Level erreicht. Die zwölf meist akustisch gehaltenen Songs zeigen, dass jemand wie Doherty nach einem anstrengenden Lebensjahrzehnt deutlich mehr aus dem Hut zaubern kann als so mancher Frischmilchtrinker. Glück gehabt, dass er sich mit Graham Coxon von Blur und dem Smith-Produzenten Stephen Street noch nicht im Suff geprügelt hat und die beiden ihm bei der Produktion von „Grace / Wastelands“ helfen konnten.

Der Titel der Platte ist ein gefundenes Fressen für Profi-Assoziierer. Schwingt da womöglich Graceland mit? Heißt Kate Moss’ Tochter nicht Lila Grace? Oder spielt er nun doch auf „Grace“ an, Jeff Buckleys Platte? Buckley, der ausgerechnet mit 30 Jahren starb?

Vorerst atmet Peter Doherty glücklicherweise, und zwar gaaanz laaangsam aus. Er lebt, er arbeitet, er ist angeblich clean. Vielleicht ist diese Platte so etwas wie ein Innehalten, der Sonnengruß seiner Karriere irgendwo zwischen den Libertines, den Babyshambles und der Sache mit Kate. Songs wie „A Little Death Around The Eyes“ erinnern an die Zeit, da die Augenringe schwarz waren und Zukunftspläne keine Rolle spielten. Dass Doherty jetzt in Paris lebt, hört man ausgerechnet bei der schmissigen Single „Last Of The English Roses“. Da klingt sein softpornohafter französischer Sprechgesang am Ende wie der des Seventies-Duos Baccara. Der Flirt mit der Bohème steht ihm gut.

Doch so viele Rosen, so viele Dornen: In „1939 Returning“ versetzt sich Doherty in die Haut eines Soldaten – ein totaler Fehltritt, den man besser überhören sollte, wenn man es gut meint mit Peter, dem Soldatensohn. Sehr schade, dass sich die ungekämmte Morning-after-Zufriedenheitsstimmung der ersten Hälfte schnell in girlandischem Gitarrengeschrammel erschöpft. Dass neue Liebe auf Bäumen wächst, wie Doherty mit wispernder Stimme in „New Love Grows On Trees“ nahelegt, bleibt leider nur ein weiterer Ausflug in die Botanik eines ermatteten Künstlers, der zuletzt damit Schlagzeilen machte, dass er Drogen an die Strokes vertickte, Amy Winehouse küsste, sie sich dann aber doch nicht für ein Duett leisten konnte, und mit seinem Ruderboot auf dem schottischen Loch Lomond in schwere Havarie geriet.

Das ist das Solo-Album eines Mannes, der offenbar nicht für das Leben als Einzelgänger gemacht ist. Die besten Momente hatte er mit seinen Bands („Fuck Forever!“), seine irre Genialität trat erst so richtig an der Seite von Ex-Soulmate Kate Moss zutage. Es scheint, als brauchte Doherty für die wirklich kraftvollen Nummern einen robusten Sparringspartner. Wenn der fehlt, dann eben Sonnengruß. Auch ok.

„Grace / Wastelands“ ist bei EMI erschienen.

Esther Kogelboom

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