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johansson

© Dave Sitek/Warner

Neues Album: Raubein und Rehauge

Scarlett Johansson singt Tom Waits? Jawohl, das funktioniert.

Well – um mal in der Diktion des Meisters zu beginnen – well, the question is not how it’s done, but why. Nicht wie, sondern warum man es tut, ist die Frage. Warum also versucht sich Scarlett Johansson an Gott, an ihm, an Tom Waits? Das hat schon Norah Jones getan, das hat neben anderen auch – wo Gott ist, ist der Teufel nicht fern – Rod Stewart gewagt. Und nun Scarlett Johansson. Ein komplettes Album. „Anywhere I Lay My Head“, der alte Waits-Song vom Streunen als titelgebendes Programm. Ja, was jetzt? Scarlett Johansson, 23 Jahre alt, schön, faltenlos, vom Leben noch nicht allzu viel aufs Maul bekommen – will sie jetzt den Hobo geben, die verlorene Seele? „I’ll drink you under the table“ singt sie in „I wish I Was in New Orleans“. Ach, Mädel.

Sie hat doch wahrlich genug zu tun, als Muse von Woody Allen, von Bob Dylan gar, als Reinkarnation von Marilyn Monroe, der wunderbar unperfekten Figur wegen – aber vielleicht ist das der Schlüssel. Denn so wie Scarlett Johansson dieses „I Wish I was in New Orleans“ intoniert, klingt das doch sehr nach „Happy Birthday, Mr. President“, mit viel Hauch, viel Naivität und noch mehr Sex. Scarlett Johansson singt also Tom Waits. Nein, tut sie nicht, sie singt nur ein paar Lieder von ihm. Dem Himmel sei Dank.

Und deswegen darf man doch die Frage stellen, wie sie es macht. Sie macht es voller Respekt auf dem von Dave Sitek produzierten Album. Sie nähert sich Tom Waits zögerlich, tastend, und hält sich im ersten Stück, in „Fawn“ erst einmal ganz raus. Ein Instrumental, künstlich, kreischend, einen Tick zu bombastisch. Und auch bei den nächsten beiden Stücken, „Town with no Cheer“ und „Falling down“ ist es, als traue sie sich noch nicht wirklich, mit ihrer erstaunlich tiefen Stimme von hinten nach vorne an die Rampe zu kommen. Erst in „Falling Down“ ist sie angekommen, stellt sich nicht neben Tom Waits, was auch nicht geht, weil da kein Platz ist, singt seine Zeilen, dunkel, aber eben auch glatt.

Dem Booklet ist zu entnehmen, welche Vorstellungen Sitek vom Sound Johanssons hatte, als sie die Stücke auf dem Land in Maurice, Louisiana, einspielten, „wie eine Fee auf Hustensaft“. Das ist hübsch formuliert, allein, Scarlett Johansson hat gar keinen Husten. Was auch gut so ist, dann kommt sie nämlich gar nicht erst in Versuchung, sich vermessen an das Knarzen von Waits zu wagen. Sie habe es versucht, erzählt sie, monatelang, unter der Dusche, dann habe sie es aufgegeben ihn zu kopieren. Danke, Scarlett, und es war auch gewiss gut für Gesundheit und Teint, nicht all die Whiskys und Zigaretten nachzuholen.

Es ist also ein eigenes Album entstanden, eins, dass sich an den Sound des Originals wagt, dabei aber ein wenig viel Klangteppiche unterlegt, ein wenig viel Hall und auch ein wenig zu viel Geräusche von Spieluhren und zirpenden Grillen. Dass David Bowie seinem Freund Sitek die Ehre gibt und in „Falling Down“ und „Fannin Street“ den Background singt, mag als Indiz gelten, dass es kein schlechtes Album ist. Und bei „Who are you“ und „I Don’t Wanna Grow Up“ ist es sogar ein richtig gutes Album.

Scarlett Johansson ist nicht hinabgestiegen in die Abgründe einer Norah Jones, eines Rod Stewart. Und weil sie auch nicht versucht, zu ihm aufzusteigen, zu IHM, Tom Waits, werden dessen Jünger Gnade vor Recht walten lassen. Bitte schön, soll Scarlett Johansson Songs von Tom Waits singen, mit Abstand und Ehrfurcht. Und die Sache mit dem unter den Tisch saufen, ach Mädel, das war ja wohl ein Witz. Kommt ohnehin zu spät. Tom Waits säuft nicht mehr.

Scarlett Johansson: Anywhere I Lay My Head (Warner)

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