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Neues Fireman-Album: Paul McCartney: Babyface mit Alterswerk

Paul McCartney hat sich von seiner Scheidung erholt. Hier plaudert er über das neue Fireman-Album und seine Pläne – auch mit Beatles-Songs.

Von Markus Hesselmann

Frisch und spielerisch sind die richtigen Ausdrücke, um das neue Werk und den Künstler selbst zu beschreiben. Flockig entspannt schneit Sir Paul, wie er sich seit elf Jahren aufgrund seiner Verdienste um die Musik nennen darf, an einem kalten Londoner Wintertag herein zum Gesprächstermin im Restaurant „Firestation“ in Waterloo. Paul McCartney sieht mit 66 so aus, wie mancher mit 50 gern aussähe. Schminke ist auch aus nächster Nähe nicht zu entdecken. Wenn was geliftet wurde, dann sehr geschickt. Er selbst hat derartige Eingriffe von sich gewiesen.

Nach Jahren verstärkter Boulevardpräsenz – Hochzeit mit Ex-Model Heather Mills 2002, Geburt der gemeinsamen Tochter Beatrice 2003, Trennung 2006, Scheidung 2008 – macht Paul McCartney nun noch einmal mit künstlerisch Spannendem auf sich aufmerksam. Mit seinem Projekt „The Fireman“ legt er ein Alterswerk vor, das kein bisschen alt klingt, aber auch nicht bemüht jung oder gar berufsjugendlich, sondern ganz einfach frisch und kreativ. Das Album „Electric Argument“, Firemans drittes, verarbeitet Einflüsse von Blues bis Techno und nicht zuletzt Beatles-Anklänge vom rockigen „Helter Skelter“ bis zum meditativ-spielerischen „Fool On The Hill“.

John Lennon als Pantoffel-Typ

Der Lothar-Matthäus- oder wahlweise Boris-Becker-Effekt greift auch bei Paul McCartney: Man will den Mann ewig lieb haben, für das, was er einst Großes geleistet hat, aber er macht es einem mit allerlei professionellen wie privaten Peinlichkeiten nicht leicht. Streng genommen hat bei Paul McCartney seit dem Ende der Beatles – wie ja auch bei seinen drei Ex-Kollegen – das Solo-Oeuvre nie wirklich überzeugt. Das ist ungerecht, denn vieles war ja irgendwie gut und erfolgreich – aber angelegt an den Beatles-Maßstab tendierte es eher zum Mittelmaß.

Paul McCartney ist das ewige Babyface – „the cute one“, wie er sich selbst vor laufender Fernsehkamera genannt und es dann bereut hat. Denn darin liegt ein Grund für ein Problem McCartneys: Er wird trotz allen Erfolgs nie ganz ernst genommen als großer Künstler. Bei den Beatles war er der landläufigen Meinung nach für die poppige, kuschelige Seite zuständig. Das Intellektuelle, Experimentelle, Großkünstlerische oblag John Lennon. „Dabei war John damals eher der Pfeife-und-Pantoffeln-Typ“, erzählt Paul McCartney. „Er hat ja mit seiner Frau auf dem Land gelebt, während ich um die Häuser gezogen bin und die neuen musikalischen Einflüsse aufgenommen habe.“

Streit um unveröffentlichtes Beatles-Stück und Beatles-MP3

Er selbst habe sich auch mit elektronischer Musik und Tape-Technologie befasst, gibt aber gern zu, „dass John einfach wagemutiger war“. Lennon habe einen experimentellen Song wie „Revolution No. 9“ nicht nur aufgenommen, sondern auch gleich auf Platte herausgebracht. „Er hat das Experimentieren professionell genutzt, ich habe es eher nebenher betrieben.“ Wichtig sei ihm aber nun die baldige Veröffentlichung des geheimnisvollen Werks „Carnival of Light“ von 1967, einem „Fünfzehn-Minuten-Stück, in dem die Beatles von der Piste abkommen“. Es sei gut, wenn mehr über diese „freie“ Seite der Beatles dokumentiert werde, sagt Paul McCartney.

Allerdings braucht er für die Veröffentlichung die Zustimmung Ringo Starrs sowie der Witwen Yoko Ono und Olivia Harrison. Zu seinen Lebzeiten hatte George Harrison sein Veto eingelegt. Er habe von solchen Avantgarde-Stücken nichts gehalten, erzählt McCartney, und dazu das Wortspiel „avantgarde a clue“ auf den Begriff „haven’t got a clue“ (keine Ahnung haben) geprägt. Apropos Veröffentlichung: Dass die Beatles-Lieder endlich im MP-3-Format herauskämen, sei in seinem Interesse. „Doch die Verhandlungen mit EMI stocken“, sagt McCartney. Mit einer baldigen Lösung ist nicht zu rechnen.

Er sei froh, dass das Fireman-Projekt, zu dem er sich mit Youth, dem früheren Bassisten der Band Killing Joke zusammengetan hat, nicht bei EMI oder einem anderen Großen zu Hause ist, sondern beim Independent-Label „One Little Indian“, bei dem auch Björk veröffentlicht. „Die Leute bei den Majors wissen meist nicht, worum es eigentlich geht.“ Er wolle nicht mehr in einem Zimmer mit solchen Leuten sitzen und denken: Wer in aller Welt sind Sie eigentlich?

Der Fireman hat seine Stimme gefunden

Das heiße nicht, dass er alles unter Kontrolle haben müsse. „Ich gebe gern Verantwortung ab“, sagt Paul McCartney. Das sei ja jetzt auch in der Fireman- Zusammenarbeit so gewesen. „Youth hat mich überredet, nach unseren ersten beiden instrumentalen Fireman-Platten diesmal zu singen.“ Er habe doch gar keine Songs und eigentlich derzeit auch keine Ideen für Songs, habe er erwidert. „Ich bin ans Mikrofon gegangen und habe einfach losgesungen. Youth hat dann als Produzent das Beste herausgeholt. Ich kann ihm wirklich vertrauen.“

Fragen über Sir Pauls Privatleben, namentlich über Heather Mills, waren bei diesem Londoner Gespräch mit einer internationalen Journalistenrunde nicht zugelassen. Dafür kam er von selbst auf seine verstorbene Frau Linda McCartney zu sprechen. „Linda hat sich gern verfahren“, erzählt Paul McCartney. „Sie liebte es, sich nicht mehr auszukennen. Natürlich nicht in der Wüste, sondern in der Stadt.“ Das könnte auch als Maxime des Künstlers Paul McCartney Bestand haben: Von der Piste abkommen, loslassen, aber nur so weit, dass noch solide Arbeit herauskommt. Richtig spannend wurde es dabei erst wieder mit ein bisschen Hilfe eines Freundes.

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