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Bregenzer Festspiele

© ddp

Oper: Spektakuläre "Tosca"-Premiere in Bregenz

Liebe, Eifersucht, Sex & Crime sind die Zutaten zur Oper "Tosca", die bei den Bregenzer Festspielen erstmals über die Seebühne ging. Die Zuschauer erlebten eine Show der Superlative.

Mit psychologischer Tiefensicht oder subtiler Personenregie ist auf der Bregenzer Seebühne kein Blumentopf zu gewinnen. Die riesigen Dimensionen der Plattform im Bodensee verlangen den dicken Pinsel. Das wussten Regisseur Philipp Himmelmann und sein Bühnenbildner Johannes Leiacker und zogen bei der Premiere ihrer Neuinszenierung von Giacomo Puccinis "Tosca" in Bregenz alle Register moderner Theaterzauberei. Und die rund 7000 Zuschauer auf den vollbesetzten Rängen hatten ihren Spaß an dem etwa zweistündigen Opernspektakel.

Puccinis "Tosca" wirkt wie geschaffen für die Seebühne: Liebe, Eifersucht, Sex & Crime sind die Zutaten. Festspiel-Intendant David Pountney sprach vor der Premiere von einem Opernfest im "Hollywood-Blockbuster"-Format. Ein Flop ist beim "Spiel auf dem See" undenkbar. Mit den Einnahmen der 26 "Tosca"-Vorstellungen und geschätzten 180.000 Besuchern finanziert das Festival manch Experimentelles und schwerer Vermittelbares, etwa den diesjährigen Britten-Schostakowitsch-Schwerpunkt oder die Avantgarde-Reihe "Kunst aus der Zeit (KAZ).

Reichlich Opernblut

Im Zentrum der Operntragödie steht die Sängerin Floria Tosca, verkörpert von der jungen Starsopranistin Nadja Michael. Sie ist mit dem Kirchenmaler Mario Cavaradossi liiert, in dessen Rolle der stimmgewaltige Tenor Zoran Todorovich schlüpft. Doch Tosca wird auch von dem brutalen römischen Polizeichef Scarpia (Gidon Saks) begehrt. Am bitteren Ende lassen alle drei Protagonisten ihr Leben, wobei mit Opernblut in Bregenz nicht gespart wird.

Das Drama spielt sich vor einer haushohen Wand mit einem riesigen, aufgemalten Auge ab, Sinnbild für Scarpias Überwachungsstaat. Besonders beeindruckend ist die Te-Deum-Szene am Schluss des ersten Aktes: Die Iris des Riesenauges klappt an einem langen, unsichtbaren Kranarm herunter und gibt den Blick frei auf den Innenraum einer Kirche, in der hochrangige Kleriker eine Messe feiern. Währenddessen fährt aus dem See unter der Bühne ein zwölf Meter hohes Stahlkreuz hoch. Im Bühnenboden öffnet sich derweil ein Verlies, in das Scarpias Schergen Gefangene hineintreiben, um sie sogleich zu massakrieren. Die Kirche, so die Botschaft, gibt dem Tyrannen ihren Segen zum Massenmord.

Die Iris als Leinwand

Unter die Haut gehen auch die Folterszenen in Scarpias Kerker. Der Polizeichef lässt Cavaradossi, der einem geflohenen politischen Häftling Unterschlupf gewährte, "peinlich" verhören und bedrängt zugleich Tosca, die das Versteck des Häftlings kennt. Die Iris wird jetzt zur Leinwand, auf der schemenhafte Folterszenen oder eine Netzhaut mit blutigem Geäder zu sehen sind. Tosca gelingt es, Scarpia einen Handel abzuringen. Er will ihren mittlerweile schuldig gesprochenen Geliebten nur zum Schein erschießen lassen und sagt dem Paar sogar freies Geleit zu. Als Gegenleistung soll sich ihm Tosca hingeben. Doch Scarpia hat die Rechnung ohne die liebende Frau gemacht. In einem Furor von Rache ersticht Tosca ihren Widersacher.

Für den letzten Akt klappt Himmelmann die gesamte, riesige Augenwand nach hinten. Dabei wird der Blick frei auf Scarpias unterirdische Verliese. Nur die Iris an ihrem Kranarm bleibt stehen und wird zum Schauplatz des Opern-Showdowns. Hinter der schwarzen Pupille im Zentrum des Auges verbirgt sich der Kerker, in dem Cavaradossi sein Ende erwartet. Tosca berichtet ihrem Geliebten von der bevorstehenden Scheinhinrichtung. Dann feuert ein Erschießungskommando mehrere Salven ab. Unter den Augen Toscas wird Scarpias letzte Finte offenbar: Die Exekution war echt.

Sturz in den See

Als der Leichnam von der Plattform ins Wasser stürzt, geht ein Raunen durchs Publikum: Der Stuntman hat seine Sache gut gemacht. Denn Tenor Todorovich würde wohl kaum 26 Stürze aus zehn Metern Höhe ins kalte Wasser des Bodensees ohne Gesundheitsprobleme überstehen. Der Schluss der Oper, Toscas selbstmörderischer Sturz von der Engelsburg, ist nur als Videoeinspielung zu sehen: Mit wehendem roten Gewand stürzt Tosca in die Endlosigkeit des Riesenauges.

Dass die Premiere beim Publikum ankommt, liegt nicht nur an den Bühneneffekten, sondern auch an den umjubelten Leistungen eines hochkarätigen Sängerteams, der Chöre und der Wiener Symphoniker unter Ulf Schirmer. Und am Wetter: Eine schwarze Wolkenwand zu Beginn der Vorstellung ließ das Schlimmste befürchten. Doch als Cavaradossi seine berühmte Arie "Und es leuchteten die Sterne" anstimmte, blitzen wirklich wieder die Sterne aus den Wolken hervor.

Georg Etscheit[ddp]

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